José Alvarez Brill, bekannt durch Produktionen für Wolfsheim, De/Vision und viele andere Synthpop-Acts präsentiert mit dieser CD eine eigene Platte - obwohl, eine eigene Platte ist es eigentlich nicht, eher eine Compilation. Alvarez versammelt einige seiner Lieblingsstücke, interpretiert diese neu und verbindet das Ganze durch Gedichte, die musikalisch unterlegt von Ben Becker vorgetragen werden. Musik und Lyrik zu verbinden ist nichts komplett Neues: man erinnert sich an das Rilke-Projekt und auch Schiller nutzt die gleichen Elemente in seinen Werken. Ben Becker, Großmaul und Hoffnungsträger der deutschen Kulturwelt, der zuletzt vor allem durch billige Bierwerbung im weißen Anzug unangenehm auffiel, macht seine Sache hier mit Bravour und zeigt seine wahren Qualitäten. Voller Ausdruck und Inbrunst gibt er Gedichte von Herrmann Hesse, Gottfried Benn oder Wilhelm Wolter zum Besten und verleiht Ihnen eine ganz eigene Note. Der Stimmung entsprechend steuert Alvarez mal eine dezente Untermalung, mal eine bedrohliche Geräuschkulisse bei. Bei den Stücken, die remixed wurden, hat sich Alvarez die herausgesucht, die ihn in den letzten Jahrzehnten privat oder beruflich geprägt haben und die er schon immer mal in einem anderen Gewandt sehen wollte. Und so dreht er Alphavilles ‚Forever Young’ zu einem entspannten Pop-Titel während er Rosenstolz’ ‚Liebe ist alles’ zurück in die tanzbaren Achtziger versetzt. Als Haus-und-Hof-Produzent von Wolfsheim, muss natürlich auch von Heppner und Reinhardt ein Titel enthalten sein. ‚A new starsystem’ hat sich Herr Alvarez ausgesucht und unterlegt das ursprünglich eher düstere Stück mit hypnotisch-hallenden Synthie-Läufen. De/Visions Heart-Shaped Tumor’ verliert in der Zeitmaschine leider etwas von der Kraft der Originalversion, während ‚Suspicious Love’ von Camouflage nahe am Original mit den richtigen Bits and Pieces angereichert wurde. Hin und her gerissen bin ich bzgl. des Titels ‚Das Meer und ich’, das dankbar instrumentiert poppig schön dahinschwebt, jedoch durch Gesang mit Nuancen von Grönemeyer und Söhne Mannheims irritiert. Als gelungene Interpretation ist auf jeden Fall noch ‚Return’ von den Lakaien zu nennen. Ausgekoppelt wird der Song ‚Vielleicht’, den Alvarez mit Heppner eigens für diese Compilation aufgenommen haben. Nach dem eher enttäuschenden ‚Wir sind wir’ kann man hier wieder getrost den Stempel ‚empfehlenswert’ aufdrücken. Auf jeden Fall beweist Jose Alvarez, dass er zur ersten Garde der deutschen Synthpop-Produzenten gehört. Wie bereits angedeutet kann zwar nicht jeder Song mit dem Original mithalten, aber eine durchgängige Qualität kann man dem Album ‚Zeitmaschine’ nicht absprechen. Für die Musik alleine gäbe es bei mir 4,5 Sterne, die Ben Becker Rezitationen sind jedoch so gut gelungen und so fesselnd, dass noch ein halbes Sternchen dazukommt. Viel besser könnte das alte Jahr im wahrsten Sinne des Wortes nicht ausklingen…