Es gibt solche Veröffentlichungen, die sich schon kurz, nachdem man sie aus dem Briefkasten gefischt hat, hartnäckig im heimischen CD-Player festfressen, dort Runde um Runde drehen, die den Rezensenten schon nach dem dritten oder vierten Durchlauf an die Tastatur zwingen, um seiner Begeisterung über den musikalischen Inhalt Luft zu machen. Und es gibt Veröffentlichungen, die, obwohl eigentlich nicht wirklich schlecht, erst einmal ihren Weg in eine Warteschlange finden, Staub anzusetzen beginnen, wartend auf den geeigneten Augenblick, ihre Wirkung endgültig zu entfalten. "Thoughts", das Debüt-Album des Mannheimer Quartetts INNER EXIT, hat es nunmehr bis zu genau diesem Augenblick geschafft... ...nachdem die ersten ein, zwei Durchläufe ein eher durchwachsenes Bild zu zeichnen wußten: Wirkte "thoughts", musikalisch sperrig und auf jeden Fall zwischen den Schubladen, zwischen stilistischen Welten balancierend, anfangs eher wie ein halbherziger und weitestgehend mißlungener Versuch, Ambient, Gothic, orchestral-neoklassische Passagen und Rock-Elemente miteinander zu einem neuen Ganzen zu verschmelzen, so entwickeln die neun Tracks dieses Albums mit der Zeit eine ganz eigene, schwer zu beschreibende Magie, die, je länger und öfter man sich der musikalischen Vision von INNER EXIT aussetzt, einem umso mehr auffällt in vielen kleinen Teilen, die in ihrer Summe das Gesamtwerk ergeben. Sei es der teils entrückte, elfenhaft-fragil wirkende Gesang von Frontfrau Vesna Marinovic, dem die Musik viel ihrer intensiven, emotionalen Wirkung verdankt und der stellenweise (man höre "imprisoned" oder "flowers") beeindruckend an Stärke und Volumen gewinnt, sei es die behutsame, fast schon minimalistische Instrumentierung, seien es die Tatsache, daß die Band mit Katharina Frassine eine erstklassige Violinistin in ihren Reihen hat, deren ausdrucksstarkes und markantes Spiel den Songs auf "thoughts" nachhaltig Eigenständigkeit aufdrückt, oder das insgesamt angenehm abwechslungsreiche Songwriting, welches, balancierend zwischen (für dieses Album bzw. diese Band) fast schon rockigen Stücken wie "wild ocean" und scheinbar endlos ruhig und zerbrechlich wirkenden Songs wie "fall", sehr einzigartige Musik hervorgebracht hat, die sich vom Gros der derzeit aktiven Musikanten doch erheblich unterscheidet - meist ist die Gesamtheit mehr als nur die Summe ihrer Bestandteile, und selbst diese Summe ist im Falle von "thoughts" schon beeindruckend. Somit zeigt sich also, alles in allem, nach einer langen Zeit der Gewöhnung ein durchaus positives Fazit: "thoughts" ist ein Album gleichermaßen für Kopfhörer-Fetischisten und Fans guter Lautsprecher-Systeme, ein originelles, abwechslungsreiches und liebevoll zusammengestellt wirkendes Stück Tonkunst. Einzig sollte man darauf achten, diese CD unter keinen Umständen in irgendeiner Lebenslage einfach so "nebenbei", zur Berieselung oder Raum-Beschallung, abzuspielen - zum einen ist die Musik dafür zu sperrig, zu wenig eingängig, zum anderen... naja, zum anderen würde man wohl auch einen guten Rotwein oder ein richtig gutes Buch nur in einem angemessenen Ambiente genießen, oder? Jene, die beides zu schätzen wissen und bereit sind, eine CD mehr als nur einmal anzuhören, um sich eine Meinung über die Musik und die Band zu bilden, die können bei "thoughts" eigentlich nichts falschmachen. Dafür gibt's die für ein exzellentes Debüt fast schon obligaten fünf Zähler; mal sehen, was wir von dieser Band noch hören werden...