Seit fast 20 Jahren bereichert und gestaltet Johannes Berthold die schwarze Musiklandschaft mit. Sein Gothic-Rock- und Dark-Wave Großprojekt Illuminate hat über die Jahre und mit jeder neuen Veröffentlichung Spuren hinterlassen. Viele Fans sind der Band trotz mancher musikalischen Irritation und Veränderung im Gesamtgeschehen immer treu geblieben und mit ihr gewachsen. Ebenso haben viele Kritiker aus Prinzip oder Überzeugung ihre Stellung im Spaltungscamp beibehalten. Von diesen Kritikern hat Illuminate eigentlich alles Mögliche erfahren: Ignoranz, Verachtung, Belächeltwerden, Wertschätzung, Lobhudeleien und Liebesbekundungen. Unbeeindruckt davon hat Berthold mit immer wieder mal wechselnden Bandmitgliedern weitergemacht und mittlerweile erscheint mit "Grenzgang" das vierzehnte Album der Karlsruher Band. Und es sei vorweggenommen, dass auch dieses Album die Lager in Gönner und Gegner spalten wird. Vielleicht sogar mit einer interessanten Mehrheit einer dieser Lager. Wie auf den letzten Alben finden sich auch auf dem aktuellen wieder sowohl Titel, die die melodischen, feinfühligen und tiefschwarzen, als auch solche, die die metalischen, groben Seiten der Band unterstreichen. Mit "Gemeinsam" liefern Illuminate einen beweglichen und eingängigen Song, der es schafft, beide Seiten geschickt zu kombinieren. Auch das sich anschließende "Neuland" weiß durch zarte Atmosphären und ungekünstelte Emotionen zu gefallen. Und das warm wummernde "Traum meines Lebens" kommt mit ganz eigenem Charme daher, der einerseits ansteckt, andererseits aber auch schmunzeln lässt, denn ein bisschen schräg klingt es schon, wie Sylvia Berthold gesanglich teilweise durch den Refrain hüpft. Leider war es das dann aber auch schon mit den positiven Nennungen. Und ironischerweise ist dieses Album in die drei Kapitel "Neubeginn - Krise - Katastrophe" unterteilt. Die guten, oben aufgezählten Titel gehören in das erste Kapitel, für alle anderen Titel sind die Bezeichnungen "Krise" und Katastrophe" mehr als passend. Mit "Nebenrolle" zeigt sich ein Song, der im Pathos ersoffen ist und vor Langeweile trieft. Zwei traurige Merkmale, die auch auf "Morgen ein Stück weiter", "Götterdämmerung", "Ausgezählt" und "Lauf, wenn du kannst" zutreffen, wobei der zuletzt genannte Song eigentlich die Krönung des Übels ist. Ein wunderbarer, epischer Einstieg - und dann dieser wirklich schlimme Gesang und Text: "Ziellos gehst Du weg von mir | Ein fremdes Feuer brennt in Dir | Die Flammen zaubern Dein Gesicht | Der Schmerz zerreisst Dich, doch Du spürst es nicht | Die Sehnsucht nimmt Dich an die Hand | Nichts bleibt mehr hier, was uns verband | Ich will Dir folgen, doch ich klebe fest | Es ist der Mond, der uns verlässt | Ref.: Aber besser Du rennst, bevor Du verbrennst |Lauf nach vorne, nicht zurück | Kämpf Dich weiter | Stück für Stück"… Die Band verliert sich in einem zähen, uninspirierten und teilweise auch abgekupferten Sound, der erahnen lässt, wie es klingen muss, wenn man frühe Lacrimosa-Songs heute neu aufnimmt und sie mit einem Schlagersound verquirlt. Mit "Grenzgang" haben Illuminate einen absoluten Tiefpunkt erreicht. Dass sich eine Band musikalisch entwickeln und etwas anderes machen will, ist nachvollziehbar. Dass sich Illuminate auf diese Art und Weise so gravierend negativ von ihrer erfolgreichen Anfangsrichtung, der Neuen Deutschen Todeskunst, wegentfernt haben, traurig. Denn dass sie das, was sie jetzt machen, nicht können, zeigt dieses Album − mehr noch als die Vorgängeralben − überdeutlich.