Gautier Serre aka Igorrr kam 1984 im elsässischen Straßburg zur Welt und versuchte sich bereits in seiner Adoleszenz u.a. als Pianist, Gitarrist und an Percussions, wobei er sich die elementaren Fertigkeiten dafür autodidaktisch angeeignete. 2005 zog er nach Paris und schuf zusammen mit Öxxö Xööx (ein weit verbreiteter Familienname in Frankreich) das Projekt Whourkr, welches einen wahnwitzigen Hybriden aus Deathmetal und aggressivem Electronica darstellt. Im selben Jahr begann er eine Ausbildung zum Toningenieur und gründete anschliessend ein Aufnahmestudio. 2006 veröffentlichte er sein in Eigenregie produziertes und vertriebenes Solo-Debüt "Poisson Soluble", auf dem der Eklektiker veranschaulichte, wie man unter dem diffusen Breakcore-Begriff erfolgreich (d.h. ohne lebensgefährdende Verletzungen) mit einem Stil-Chaos herumjongliert, dass sich aus so gegensätzlich erscheinenden Genres wie Klassik, Grindcore, Black/Thrash/etc. Metal, Jazz, und bspw. Flamenco zusammensetzt. Zwei Whourkr- und ein Igorrr-Album später landen wir beim aktuellen "Nostril", das auch wieder ein kleines Debüt darstellt, da es zum ersten Mal von einem Label vertrieben wird (von dem Rerelease der Vorgänger auf Impulsive Art letztes Jahr einmal abgesehen). Das Album startet von Beginn an voll durch: Schon im ersten Stück treffen Tabla-Getrommel, verzerrte Hochgeschwindigkeits-Breakbeats, schwere Gitarrenriffs (Whourkr lässt grüssen) und buddhistisches Mönchsgebet aufeinander. Der Rhythmus lässt sich hier, wie auch bei den meisten anderen Tracks, als eine Art anarchistisches Aufbegehren gegen einen vereinheitlichenden Konsens oder aufgezwungenen Rahmen beschreiben. Die Breaks kommen unvermittelt und hart, wurde man gerade noch von einem verhältnismässig lässigem Midtempo-Beat umschmeichelt wird man im nächsten Moment plötzlich mit Stakkato-Kicks wachgeprügelt. Und selbst in den relativ kurzen, metastabilen Passagen wird fleissig am Sound herumgehackt und modifiziert. Zu den Vocals lässt sich sagen, wer auf den Gesangsstil von Fantomas oder Boredoms steht, wird sich auch hiermit arrangieren können, von Oper bis Growls, von Kreischen bis Lallen kommt alles irgendwo einmal vor. Nunja, was soll man über so ein unbezähmbares Untier, das Symptome von Spasmen und dissoziativer Persönlichkeitsstörung aufweist, noch an Worten verlieren, ausser das es die abgefahrenste Scheibe ist, die ich seit langem gehört habe. Eine Beschreibung anhand der Aufzählung von Samples, Rhythmusstrukturen und Effekten wäre einfach zulang, und die Gemeinsamkeiten beschränken sich auf eine handvoll wiederkehrender Motive (bspw. Metal und Klassik) und die hohe Break-Dichte. Wobei er es sich natürlich nicht nehmen lassen konnte, auch dafür Ausnahmen hinzuzufügen (z.B. das kurze, nur erhabenen Frauengesang und Akustik-Gitarren-Klimpern enthaltende "Caros"). Angetan hat es mir vor allem "Half A Pony", welches nur aus einem sehr bekannten Piano-Motiv (wenn ich mehr Klassik hören würde, könnte ich sicher sagen, wie es heisst) und Beats besteht, wobei es ständig zu kurzen Glitches und Tempo-Variationen kommt, ohne dass der eigentliche Fluss gestört werden würde. "Nostril" ist nichts für Hörer auf der Suche nach Ruhe, man sollte schon etwas mit Breakcore und dem Collagen-artigen Aufbau der Stücke anfangen können. Epileptiker sollten eventuell auch Abstand nehmen, und Minderjährige sich die Ohren zu halten. Anschnallen ist sicher auch eine gute Idee. Einerseits ist das Album so chaotisch wie das Universum in den ersten Pikosekunden nach seiner Entstehung, andererseits ist es erstaunlich, wie schnell, trotz der ständigen Wechsel, eine gewisse abstrakte Kohärenz emergiert und sich die Teilchen zu Festkörpern verdichten, sodass man auch heraushören kann, ob etwas von Igorr stammt oder nicht. Sobald man sich z.B. wundert, was da gerade merkwürdiges abgeht, und plötzlich ein digital malträtiertes Black Metal-Riff auftaucht, woraufhin eine Violinen-Sonate einsetzt, kann man fast schon davon ausgehen, das er beteiligt ist. Respekt.