Reichlich dick aufgetragen haben die beiden Jungs von Hurts bei ihrem ersten Album mit dem schlichten Namen ‚Happiness’ ohne Zweifel. Chöre, breite Streicherarrangements, Backgroundgesang mit klassischem Einschlag ein Gastauftritt von Kylie Minogue, das kann hervorragend werden, aber auch schrecklich in die Hose gehen… Wer sich auf die Songs von Hutchcraft und Anderson einlässt sollte dies mit Haut und Haaren tun, denn was das Duo aus Manchester hier präsentiert lässt keine Kompromisse zu. Meiner Meinung nach ist man sich im Bandlager durchaus darüber bewusst, dass die Songs opulent ausgestattet stellenweise fast überproduziert wirken. ‚Happiness’ wird spalten, und das zu Recht! Man sollte einen gewaltigen Hang zur Melancholie und zumindest einen subtile Neigung zum Kitsch mitbringen, dann nämlich werden die elf Songs einzigartig und nehmen den Raum ein, der ihnen gebührt. Arglistig täuscht der erste Song auf 'Happiness' dreizehn Sekunden lang mit nachgeahmten frühen Human League Sounds experimentelle Musik vor, bevor die wahre Ausrichtung von ‚Silver Lining’ mit Flächen und Glocken aus dem Keyboard schnell klar wird. Ab Sekunde vierundfünfzig setzen die Drums aus und leiten die symphonische Breitseite ein, die den Hörer über ca. fünfundvierzig begleiten wird, mal mehr mal weniger offensichtlich. Die auf dem Album vertretenen Produktionen der Songs, die bereits vorab in Demoversionen durch die Weiten des Internets schwebten, hören sich durchdachter stellenweise aber gleichzeitig glatter an. Das gilt für den Opener genauso wie für ‚Unspoken’, dem die authentischen, neuen Streicher eine herzerwärmende Aura verleihen, die von der Güte an The Verve zu ‚Urban Hymns’-Zeiten herankommt. Spannend war die Gesamtausrichtung des Albums, nachdem die erste Single ‚Wonderful Life' die Leichtigkeit von Johnny Hates Jazz mit Pet Shop Boys Zitaten kombinierte, während ‚Better Than Love’ als zweite Auskopplung High-Energy New Order mit Giorgio Moroder Synthlines fusionierte. Insgesamt überwiegen schließlich die ruhigen Passagen, allen voran der rein Streicher- und Klavier begleitete letzte Song ‚The Water’, der so herrlich vor Wehmut trieft, dass sich Robbie Williams mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wütend auf den Boden schmeißen und mit den Fäusten auf den Boden trommeln wird, weil er in nie in dieser Konsequenz auf den Herzschmerz-Buzzer im Studio gehauen hat. Kylie Minogue für einen Gastauftritt zu gewinnen ist ein genialer Schachzug, denn damit unterstreicht man die ‚So what?’- Haltung bzgl. Kommerz und Mainstream bevor die Kritiker auch nur den Mund aufmachen können. Und es funktioniert nahezu so gut wie die wilden Rosen mit Herrn Cave vor fünfzehn Jahren: eine Harmonika live von den Treppen vor Sacre-Coeur, leicht schräg, schlängelt sich in eine im Midtempo stampfende Ballade der ersten Klasse, in die Synth-Staccatos so smooth eingeflochten werden, dass man sich fragt, wie so etwas überhaupt so gut funktionieren kann. Hype hin, Hype her, für mich wäre 2010 ohne diese Veröffentlichung nur halb so schön. Ob Hurts das nächste große Ding sind wird sich zeigen, vorgelegt haben sie jedoch mit überragendem Selbstbewusstsein und einem marketingtechnisch hundertprozentig aufgegangenen Masterplan. Schon alleine deswegen muss man ihnen ihren derzeitigen Erfolg gönnen. Über Stunden zu diskutieren, ob dies nun doch keine authentische Achtziger-Platte geworden ist, erscheint da mehr als überflüssig. Hurts sind Hurts, Hurts sind 2010, Hurts haben einen großen Coup gelandet!