Ja ist denn schon wieder Weihnachtszeit? Das Jahr neigt sich dem Ende, man muss schon langsam erste Ostereier kaufen und in den Sommerferien dann den Herbsturlaub planen... habe ich gehört. Ich aber wende mich noch einmal den vergangenen Monaten zu, all der vielen Musik, die ich hören durfte, erfreue mich an meinen fünf Favoriten, grummle erneut über 3 Alben, die vielleicht nicht die Schlechtesten waren, aber für mich die größten Enttäuschungen ... und dann ist da noch ein Bonus.

 

Platz 5: Amanda Palmer – There will be no intermission

In dieser Aufzählung darf Amanda nicht fehlen – nein, 'There will be no intermission' ist kein Jahrhundertwerk auf musikalischer Ebene, aber wer die Frau in diesem Jahr live erleben durfte, der weiß, warum ich das Album dennoch als ungemein wichtig betrachte. Es ist ein in sich schlüssiges Konzeptalbum und auf der Bühne sprach die Palmer fast 60% der Zeit und erklärte ungemein persönlich und berührend, wie es zu den einzelnen Songs gekommen war. Eine solche Nähe, eine solche intensive Verbindung von Musiker, Kunstwerk und Publikum erlebt man ausgesprochen selten und ihr Kampf für den Feminismus, ihr authentisches Engangement für die wichtigen politischen Fragen dieser Tage und ihr Mutmachen, das eigene Selbst in aller Unzulänglichkeit nicht zu akzeptieren sondern zu lieben ist ein Gewinn für jeden, der sich mit ihrer Kunst anfreunden kann.

Platz 4: Ice Ages – Nullify

Das vierte Album des Elektro Nebenprojektes von Richard Lederer erschien bereits im April online und überraschte mit einer starken Sammlung düsterer Songs, die vielleicht nicht die Tanzflächen erobern werden, meine Hallen aber sicherlich noch oft beschallen. Stärker als das dritte Album birgt 'Nullify' einige Ohrwürmer und Ice Ages ansich ist hat etwas besonderes im dunkel-elektronischen Musikbereich: einen ganz eigenen Sound mit hohem Wiedererkennungswert. Dieses Album verdient mehr Aufmerksamkeit.

Platz 3: Hardtbeat – The early years

Und das mit der Aufmerksamkeit gilt gleichfalls für meinen Platz drei: Das Projekt Hardtbeat ist ein Mysterium, das Album 'The early years' jedoch einfach nur schön. Ich weiß nicht, wie oft die Songs schon meinen Alltag bereicherten, aber ich bin fern davon, mich satt gehört zu haben. Im Kleinen etwas ganz Besonderes zu schaffen, den Sound nur um Nuancen vom Standart abzurücken und dadurch unauffällig auffällig zu werden und das Genie, ein solches Knalleralbum herauszubringen, ohne vernünftig auffindbar zu sein. Toll.

Platz 2: Alcest – Spiritual instinct

Es ist gleichzeitig keine Überraschung und doch eine schöne Überraschung, dass Neige auch auf dem sechsten Album kein Stück vom Kurs abweicht und trotzdem die Alcest Bibliothek nicht nur erweitert, sondern den Alcest Klangkosmos bereichert. 'Spiritual instinct' ist ein ganz wunderbares Werk, das Kritiker der Band nicht überzeugen wird: Sie werden weiterhin nur die sanfte, kitschige und liebe Ungestelltheit belächeln, Neige wird dennoch überzeugt von seiner Kunst auf der Bühne lächelnd fauchen und die Fans auf wunderbare Reisen entführen.

Platz 1: Rome – Le ceneri di heliodoro

Es geht gar nicht anders. Mit jedem Durchlauf wird es mir klarer: das war mein musikalischer Höhepunkt 2019 – ein NeoFolk Album, so traditionell und doch kraftvoll und frisch. Rome in Höchstform, 9 von 12 Titeln erinnerungswürdig, mindestens drei Songs kultverdächtig und die Textzeile "Fliegen wie Vögel, vögeln wie Flieger" mein schriller Favorit. All diejenigen, die im NeoFolk rückwärtsgewandte Musik für zumindest konservativ Denkende sehen, werden nach dem Genuss keine neue Meinung gebildet haben, doch Reuters Texte sind so mühevoll wie der Sound Romes endlich wieder üppig und abwechslungsreich.

 

Am Pranger 3: Sopor Aeternus – Death and flamingos

Egal wie ich es drehe und wende: seit dem fantastischen 'Poetica' 2013 ist eines meiner liebsten Projekte in Schräglage geraten mit Tendenz abwärts. Sondereditionen und Alben werden immer teurer, die Qualität und Kreativität der Sondereditionen kann ich nicht anders als mit dem Wort "Enttäuschend" beschreiben und vorliegendes Werk aus diesem Jahr ist wirklich nicht gut. Es ist einfach nur belanglos. Nervig. Kraftlos. Lustlos. Und das eine Verkaufsargument des Albums, der neue Soundcocktail aus Sopor und Death Rock, macht die Sache in meinen Ohren nur noch schlimmer. Nein, nein, nein. Das war nix.

Am Pranger 2: Mr. Kitty – Ephemeral

Dieses Album hat mich so sehr enttäucht, dass ich nicht einmal einen Artikel schreiben wollte. 'D E Δ T H', 'Eternity' und 'Life' waren für mich echte Höhepunkte, auf 'Fragments' und 'Time' fanden sich noch viele gelungene Stücke doch bereits 'A.I.' kam kraft- und belanglos daher. Und da dachte sich Forrest Avery Carney 2019, dass es vielleicht hilft, wenn man nicht nur 15 Titel auf ein Album ballert, wie er es oft getan hat, sondern 30. Ich wollte allein deswegen nicht über das Album schreiben, weil ich sonst diese 2 Stunden elektronischer Fahrstuhlmusik mehrfach hätte hören müssen. Mir reichten 2 Durchläufe (einer, um das Album kennenzulernen und einer, um zu glauben, dass da wirklich nicht mehr drin steckt) und das Auflegen der alten Glanztaten.

Am Pranger 1: Tr/st – The Destroyer 1The Destroyer 2

Wie schafft es ein Album, dass mir eigentlich gut bis sehr gut gefällt, das Neues wagt und das Klangbild eines liebgewonnenen Musikprojektes um eine Facette erweitert, meine größte Enttäuschung zu werden? Ganz einfach: man halbiert das Album und schmeißt beide Hälften zum Vollpreis in lieblosen Minimalstverpackungen unters Volk. Tr/st ist musikalisch weiterhin ganz wunderbar, aber diese Vermarktung kann ich nicht gut heißen, zumal dadurch die Wirkung des melodischen Wandels innerhalb der 60 Minuten Musik (von schnell/gewohnt zu ruhig/melancholisch und dann wieder hoffnungsvoll) hopps geht, weil ja mittig zerrissen. Ganz große Verarschung.

 

Und nun folgt der kleine Bonus:

Es gibt da ein Lied, das hat mich seit August fest in seinem Griff. Ich liebe den Sound, ich liebe die Melodie, ich liebe den Text und ich könnte mich jedes Mal beömmeln, wenn ich das Video sehe (und das passierte seit Release erschreckend häufig). Grossstadtgeflüster mit "Meine Couch" – das ist mein Lied des Jahres 2019. Für eine Rezension fand sich auf dem wunderbar betitelten Album 'Trips & Ticks ' viel zu wenig, zu dem ich etwas sagen könnte, da das Projekt eigentlich fern meiner Hörgewohnheiten spielt. Ja, "Feierabend" ist eine fantastische Hymne, die man zum Arbeitsende immer laut singen sollte und die Qualitäten des Videos sind auf ähnlich hohem (?) Niveau, alle anderen Lieder sind aber so gar nicht meins. Aber die Couch. Die Couch und Jen Benders genussvolle Akrobatik auf ebendieser gehören nun unabdingbar zu meinem Alltag und wenn es Familie, Arbeit und Alltag mal zulassen, dann spiele ich die Szenen heimlich nach. Wer es nicht kennt:

https://www.youtube.com/watch?v=TNZiake1n3Q

 

Und das war es dann wohl für dieses Jahr – mal sehen, was die doppel20 so bringt. Euch allen eine schöne Weihnachtszeit und einen guten Rutsch!