Wie würde man selbst den Teufel beschreiben? Mit Hufen und Hörnern oder als gefallenen Engel? Joost van den Vondel schrieb 1654 sein Drama "Lucifer" und stellte erstmals Luzifer als für seine Individualität kämpfenden Engel dar. William Blakes "The Marriage of Heaven and Hell" und vor allem Miltons "Paradise Lost" haben Vondels Luzifer zum Vorbild. Natürlich steht dieser Luzifer auch für das Böse, sein Handeln wird aber weit ab damaliger Vorstellungen als verständlich beschrieben und man kann den Kampf zwischen Himmel und Hölle nachvollziehen.

Die holländische Formation H.E.R.R. hat sich genau dieses Dramas von Vondel für eine Vertonung ausgesucht. Obwohl viele Mitglieder der Gruppe aus Holland stammen und auch die literarische Vorlage eine holländische ist, hat man sich entschieden, wieder Troy Southgate ans Mikrofon zu stellen, wie auch schon auf dem Vorgänger "The Winter Of Constantinopel". Southgate intoniert seinen Sprechgesang mit leicht übertrieben akzentuiertem Englisch. Das Konzeptalbum bekommt deshalb auch ein wenig den Charakter eines Hörspiels bzw. Hörbuchs. Gesungen wird natürlich auch, aber meistens in Chören, denn die generelle klassische Ausrichtung lässt nichts anderes zu. Der für die Komposition verantwortliche Gitarrist Michiel Spape hat sich klassische Elemente herausgesucht und kombiniert sie mit Marschtrommeln, Pauken und auch mal mit Akkordeon, Orgel oder Flöte.

So schwankt die Musik immer zwischen barocker Klassik und militärischer Hymne. Prinzipiell ist "Vondel's Lucifer" nicht seht weit weg von dem, was H.E.R.R. bisher auch schon abgeliefert haben, nur dass hier die Musik eher als Soundtrack fungiert. Auf den ersten Blick erscheint H.E.R.R.s Umsetzung sehr gelungen. Die Musik ist stimmig, die Geschichte wird in den ersten drei Akten anschaulich erzählt und die Gastmusiker wie Richard Leviathan (Ostara), Dev (While Angels Watch), Holger F. (Belborn), Cornelius Mikael Waldner (Sagittarius) und Maria Southgate (H.E.R.R./Survival Unit). tragen ihren Teil zur Gesamtstimmung bei. Doch das Album verliert nach mehrmaligem Hören rasch seinen Glanz und seinen Reitz. Eigentlich unverständlich bei so einem ambitionierten Projekt, aber die Musik will dann doch nicht recht zum Thema passen und sehr schnell wird man Southgates Stimme und den ständig wiederkehrenden Trommeln überdrüssig. So bleibt nur ein matter Schein und ein wenig Enttäuschung. Folk und Military Pop Anhänger sollten gewiss ein Ohr riskieren und allen literarisch Interessierten sei vor allem ein vorheriges Anhören empfohlen.