Wohin? fragt sich Ernst Horn und meint damit die Zukunft seines zweiten großen Musikprojektes Helium Vola (neben Deine Lakaien). "Wohin?" fragt er sich nicht allein in seinem Kämmerlein, sondern veröffentlicht die Frage musikalisch mit einem Doppelalbum. "Wohin?" dürfen sich nun Fans des Projektes und hoffentlich auch einige Neuhörer fragen. Das Grundkonzept bleibt erhalten: Texte aus unterschiedlichsten Epochen, klassischer Gesang unterschiedlicher SängerInnen (allen voran eine immer großartigere Sabine Lutzenberger) und eine mehr oder minder dezente elektronische Untermalung mit klassischen, mittelalterlichen und experimentellen Strukturen. Doch die Entstehung des Albums und die Wirkung auf Albumlänge ist neu. Eigentlich unter dem Titel "quodlibet" (wie es euch beliebt) geplant sollte es eine lose Liedersammlung ohne verbindende Thematik werden. Neue musikalische Formen sollten dabei erprobt werden. Doch das fertige Master wurde wieder verworfen und aus dem Album ohne Konzept wurde nach Hinzufügen weiterer Titel ein Album über den Künstler Ernst Horn, der sich zwischen den (Musik)Welten bewegt. Das alles sind Informationen aus der umfangreichen Presseinformation, doch tatsächlich ist "Wohin?" ein sehr abwechslungsreiches und wandelbares Album zwischen klassischer und alter Musik und modernen elektronischen Experimenten und dem Pop. Die unterschiedlichen Elemente der insgesamt 19 Lieder und deren Wirkung kann man kaum aufzählen ohne einen ganzen Roman zu schreiben (4 Seiten allein die Presseinformation). Auch das Zusammenspiel aus Textauswahl und Melodie und Instrumentierung könnte weitere Bände füllen. Deswegen an dieser Stelle nur die melodischen Eckpfeiler: Es gibt ruhige Stücke, bei denen der Gesang ganz klar zentrales Element ist ("Nubibus atris", "Rose am Dorn", DirIch"). Andere leben von einem dezenten elektronischem Rahmen, in denen die SängerInnen mal solo, mal im Duett und oft auch mehrstimmig verzaubern ("Uf der Linden", "A virgen Santa Maria", "Die Andere" oder "The unquiet grave"). Dann wird der Elektronik etwas mehr Raum geboten ("Tanderadan", "Heja, wie sie sang") oder sie wird gar gänzlich in den Fokus gerückt ("Fama tuba 2", "Panzer hymnus" (zumindest in der Wirkung)). Festlegen will man sich dabei kaum: die wundervoll schwermütige "Witwenklage" beinhaltet eine der schönsten Gesangspassagen Helium Volas, überlässt aber experimenteller und nicht ganz so sanfter Elektronik im Mittelteil viel Raum. Beeindruckend dabei ist, dass Ernst Horn erneut ein Album geschaffen hat, das durchgehend unterhaltsam ist (wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise) und das gleichzeitig kaum einen Titel bereithält, der für Tanzflächen wirklich geeignet ist. Immer wieder finden sich Elemente, die die Massen sicherlich in Bewegung setzen würden (z.B. der Refrain von "ich will den Sumer gruezen"), doch setzt Horn diese poppigen Elemente in wohldosierten Mengen ein und kombiniert sie immer geschickt mit dem Helium Vola Feeling. Das macht das Projekt und insbesondere "Wohin?" zu etwas Besonderem. Wo andere Beat- oder Gitarrendominierte Tanzmusik mit mittelalterlichen Elementen leicht verdaulich präsentieren zaubert Ernst Horn in klassische und avangardistische Musik eine homöopathisch eingesetzte Leichtigkeit. Was für ein Werk. Und die Qualität der einzelnen Lieder? Ich kann nur für mich sprechen: ich bin begeistert! Sicherlich nicht von allen Stücken, insbesondere wenn es zu elektronisch-schief-experimentell wird. Aber die Masse der Lieder, die ich nicht nur gut, sondern wirklich toll, großartig, weiterempfehlbar, mitreißend (...) empfinde ist unglaublich. Das macht das Album in meinen Augen zu einem Pflichtkauf. "Wohin?" fragen Sie, Herr Horn. Ich weiß es nicht, aber nach diesem Album folge ich Ihnen gerne weiterhin auf Ihrer musikalischen Reise und das mit noch ein Stückchen mehr Begeisterung (wenn das nach "Liod" und "Für euch, die ihr liebt" überhaupt noch möglich war).