Helgi Jónssons neues Album beginnt mit leisen Tönen: Streicher sorgen für eine getragene Stimmung. Natürlich betrifft das nur den Anfang, denn der Multiinstrumentalist, Komponist und Sänger Helgi Jónsson hat das Ruder seiner Musik fest in der Hand und steuert seinen eigenen, etwas verträumt klingenden Kurs. Der verstärkte Einsatz von Streichinstrumenten kommt nicht von ungefähr, spielte Helgi Jónsson doch Posaune am Iceland Symphony Orchestraat und studierte am Rykjavik Conservatory of Music. Doch auch als Popmusiker erarbeitete er sich bereits einen Namen, vor allem seine Arbeiten für und mit Tina Dico. Nach einigen EPs ist "Big Spring" sein erstes großes Album. Bei den ganzen weiteren Verpflichtungen, denen Helgi Jónsson sonst noch nachgeht, ist es eigentlich ein Wunder, dass er das Album überhaupt fertig stellen konnte. Die Komposition von klassischen Arrangements für das Nationale Dänische Kammermusik Orchester war nur eine seiner zahlreichen Beschäftigungen, genauso wie seine Einsätze als Livemusiker für viele isländische Künstler wie etwa Sigur Rós. Pünktlich zur Frankfurter Buchmesse, deren Gastland in diesem Jahr Island war, stand Helgi Jónsson in den Startlöchern. "Big Spring" versucht sich an den leisen Tönen und den breiten Arrangements. Jónsson kommt mit einer Akustikgitarre aus, nutzt aber, wenn sich ihm die Gelegenheit bietet, auch gern das volle Spektrum an Instrumenten aus. Das merkt man schon am zurückhaltenden "Salt", zu dem Tina Dico den außergewöhnlichen Text schrieb. Akustikgitarre, Harfe und im Refrain extrem maßvoll eingesetzte Posaunen. Das folgende "Darkest Part Of Town" ist dagegen ein klassischer Popsong mit voller Instrumentierung, sprich Schlagzeug, Synthie und Gitarre. Hätte so auch von Royksopp kommen können. Doch Helgi Jónsson glänzt vor allem immer dann, wenn er die bereits ausgetretenen Pfade der Popmusik verlässt. In dieser Beziehung sticht das zerbrechlich wirkende Duett "Careful People" mit Tina Dico besonders heraus, das jedem Folk-Anhänger das Herz erwärmen wird. Festzuhalten gilt, das Helgi Jónsson das unfehlbare Gespür für die richtigen Melodien zur richtigen Zeit hat. Doch gerade weil dieser Kerl so viel Talent hat, wünscht man sich von ihm doch öfter mal etwas mehr Extravaganz. Seine Songs bieten zwar Abwechslung, geht es doch mal ruhig und sogar mal rockig zu ("Passport No Passport"), doch irgendwie scheint es, dass Jónsson zu viel auf einmal will, wofür das Ergebnis dann zu normal klingt. Jónsson will sich musikalisch nicht festlegen und hält sich viele Türen offen. Er ist vor allem einer, der sich trotz dieser offenen Orientierung in vielen Genres zuhause fühlt und sie, im Gegensatz zu manch anderem Musiker, auch wirklich bedienen könnte, wenn er sich selbst lässt. Auf "Big Spring" ist im das leider noch nicht ganz gelungen. Der Funke will noch nicht vollständig überspringen. Aber es zündelt schon stark und Helgi Jónsson wird bald mit einer Fackel in der Hand wieder erscheinen. Da sind sich alle einig.