Wer unbedarft und unvorbereitet mit dem neuen Album von Hegemund in Kontakt kommt, dem dürften zwei Dinge widerfahren. Zum einen dürfte sie/ihn die chillige Lounge-Atmosphäre überraschen, die "Nuit Blanche" verbreitet. Zum anderen dürften die verschiedenen Sounds von Feldaufnahmen verwirren, die integraler Bestandteil der Songs sind. Denn mit Hegemund haben sich zwei experimentierfreudige Musiker zusammengetan, die sich schon seit Jahrzehnten mit Musik beschäftigen. Namentlich sind es Gottfried Tollmann und Ralf Hildenbeutel. Ersterer ist bekannt durch Bands wie die Fred Banana Combo oder Baked Beans mit Nicolle Meyer und Helmut Zerlett, letzterer durch seine Arbeit für das Projekt Earth Nation oder als Produzent für Sven Väth. Die beiden haben sich schon einmal zusammen ausgetobt, nämlich 1995 mit dem Album "tollmannhildenbeutel". Damals war das Ziel ihres musikalischen Anschlags die Stadt Los Angeles, für den Feldaufnahmen und Musik zu einem eigenwilligen, aber stimmigen Soundtrack dieser Stadt zusammengefügt wurden. Grundidee des Ganzen ist eine "Geschichte von 10 Städten", das Einfangen des ganz bestimmten urbanen Flairs einer Stadt. Nach Los Angeles ist es nun ihre neue Wahlheimat Paris, die einer besonderen Betrachtung unterzogen wird. Und wieder werden Feldaufnahmen eingesetzt, zog das Duo durch die Stadt an der Seine, um ganz bestimmte Sounds zu finden und aufzunehmen. Dass die beiden dabei vor nichts zurückschrecken, zeigt ihre Geschichte einer spontanen aber ungewollten Übernachtung im Jeep, als sie im Nationalpark Joshua Tree mit selbigem Gefährt steckenblieben. Tollmann und Hildenbeutel wollten dort Ameisen mit Spezialmikrofonen aufnehmen. Ganz so abgefahren scheinen die Songs auf "Nuit Blanche" nicht zu sein, aber da viele der Aufnahmen im Hintergrund der Songs mitschwingen, weiß man eigentlich nie genau, was da alles verarbeitet wurde. Ist im Prinzip auch egal, denn dass es um Paris oder zumindest um Frankreich geht, das merkt man sehr schnell. Von den ganzen Samples mal abgesehen, in denen zwangsläufig die französische Sprache vorkommt, sind es Akustikgitarre und Akkordeon, die eben jenes Flair unserer dem Wein und dem Käse verfallenen Nachbarn verbreiten. Die mit einer gewissen Lässigkeit zusammengesetzten Songs zeigen, dass sich Gottfried Tollmann und Ralf Hildenbeutel in ihrer neuen Heimat sehr wohl fühlen. Das dezente Schlagzeug, Westerngitarre, Trompete, Saxophon, der gezupfte Bass, all das verbreitet die bereits oben erwähnte Lounge-Atmosphäre. Unweigerlich denkt man sich in eine verrauchte Bar hinein, die manchmal auch in New Orleans stehen könnte, statt in Paris, woran der starke Jazz-Einschlag in manchen Songs Schuld ist. Doch mit sanften Rhythmen und einem säuselnden Akkordeon werden wir wieder zurück in Frankreichs Hauptstadt geholt. Das Geräusch des Weineinschenkens in der Weinbar Le Cafe du Passage trägt sein Übriges dazu bei, genauso wie das der fahrenden Metro oder verschiedene Gesprächsfetzen. Hegemund haben die Leichtigkeit des Seins eingefangen. Sie sagen sich selbst los von irgendwelchen einengenden Genregrenzen und überlassen es den anderen, ihre Musik einzuordnen. Begriffe wie Jazz, Chillout, Electro Bossa, Ambient oder Jah Musik passen alle, treffen es aber natürlich nie ganz und sind damit eher Orientierungshilfe statt Ordnungskriterium. "Nuit Blanche" ist Musik zum Träumen, für einen schönen Abend mit Freunden oder allein mit einem Glas Rotwein an einem warmen Sommerabend. Sehr entspannend, wenn auch manchmal etwas zu salopp gehalten.