Ein erstaunliches Debut halte ich in meinen Händen: Die beiden Elektroniker Manix S. (Pail) and Salva Maine (Culture Kultür) haben sich zusammengeschlossen, um den NeoFolk zu bereichern. Das allein lässt mich ehrlicherweise nicht im Mindesten aufhorchen. Vielmehr verwundert mich die Verpackung: Caustic Records verpacken "Chandelle" in ein schickes DinA5 Digipack, relativ aufwendig und schön gestaltet - das erwartet man bei etablierten Projekten, seltener aber bei Gengre-Neulingen, bei denen der Erfolg arg ungewiss ist. Das Neo im Folk is den beiden Musikern sehr wichtig, findet man diese Bezeichnung in den Beschreibungen - nur höre ich (unabhängig von der Qualität) eher dezent mediteran angehauchten Folk, schnörkellos, lieblich und an unterschiedlichste Bands erinnernd. Aber lassen wir die Stilreiterei und lauschen wir auf die Inhalte, die angenehm unauffällig daherschwelgen. "A ray of moon" leitet in schmusiger Spiritual Front Manier wunderschön ein und erweist sich als toller Einstieg. Noch etwas mediteraner und in spanischer Sprache könnte "Annual" auch auf einer Corde Oblique Veröffentlichung gut Platz finden. Wie gut Har Belex die gesungenen Sprachen beherrschen hängt von der Sprache ab: "Der Ackerbeltz" erinnert mit der liebenswert schlechten Aussprache an die "sing doch mal auf Deutsch" Gastauftritte auf Forsetis 'Erde'. Textlich und musikalisch zeigen sich eher Parallelen zur mystisch-kitschigen Falkenstein. "Men in the wasteland" ist dann radiotauglicher Folkpop - nicht unbedingt mein Fall aber es trägt zum Abwechslungsreichtum von 'Chandelle' bei. Es folgen noch 7 weitere Stücke, mit "Pathways" und "Freedom" auch noch zwei Highlights, doch spätestens nach den ersten vier Stücken weiß man als Hörer, ob Har Belex gefallen. Denn viel versteckt sich nicht unter der Oberfläche: die Texte sind solide und greifen alle typischen (Neo)FolkThemen auf (Naturmystik, Gesellschaftskritik, Rückbesinnung auf alte Werte, Kriegsschrecken), ohne die Tiefe von Rome oder Current 93 zu erreichen (oder erreichen zu wollen?), die Melodien und der Aufbau der Songs sind straight. Und so ist 'Chandelle' ein Album zum Genießen, nie innovativ, sich immer bei den Großen oder zumindest Größeren bedienend und dennoch Dank des schönen Gesangs mit Wiedererkennungswert. Ein feiner Geheimtipp und in jedem Fall ein gelungenes Debut. Man merkt sicherlich, dass mir zum Konfetti werfen noch ein paar Feinheiten fehlen (mitreißende Melodien, ein klareres Textkonzept und etwas mehr Ecken und Kanten im Sound), aber sein Geld kann man dennoch gut anlegen.