Ändert eine Band ihren Stil, dann kann das der Anfang vom Ende sein – manchmal ist es für sie aber der notwendige Schritt, um nicht irgendwann als eine Kopie ihrer selbst in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden.

Als 2009 die Grendel-EP „Chemicals and Circuitry“ auf den Markt kam, glaubte ich, zeuge einer solchen Evolution zu sein. Die Band um Mastermind VLRK hatte zu diesem Zeitpunkt mit „Harsh Generation“ bereits einen Meilenstein in ihrem Genre geschaffen, dessen Titel bis heute problemlos die Tanzflächen der schwarzen Szeneclubs füllen. Ein gelungenes Album, sicherlich, aber auch eines, das langfristig aufgrund seiner Gleichförmigkeit zu leichten Ermüdungserscheinungen führte. „Chemicals and Circuitry“ erschien mir der konsequente Schritt zu sein, der Grendels Weg in die Zukunft weisen würde: Schluss mit den verzerrten Vocals, stattdessen cleaner Gesang und etwas mehr Popattitüde in den Songs, ohne den unverwechselbaren harschen Sound der Vorgänger zu verraten; dazu mit Serotonin Rush ein astreiner Trance-Track, der so von Tiësto oder Armin von Buuren stammen könnte. Leider war „Chemicals and Circuitry“ nur eine EP mit drei neuen Songs und einigen zusätzlichen Remixes.

Bis 2012 ließen die Aggroelektroniker aus den Niederlanden die neugierigen Fans und Sympathisanten schwarzer Tanzmusik noch warten, dann endlich erblickte der lang erwartete Longplayer „Timewave Zero“ das Licht der Welt. Wie würden Grendel wohl den auf ihrer EP eingeschlagenen Weg fortführen? Die ernüchternde Antwort: Überhaupt nicht. Ich muss es leider desillusioniert vorwegnehmen - „Timewave Zero“ ist ein Schritt zurück zum klassischen Harsh Electro. Das wäre ja bei einem guten Ergebnis grundsätzlich gar nicht verwerflich, aber: darüber hinaus ist das Album über weite Strecken auch noch völlig uninspiriert und ideenlos. Handwerklich kann man VLRK und Co. nicht einmal Vorwürfe machen: Die Beats sind mächtig, der Sound insgesamt recht pompös, viele Elemente sind stark vom (Hard-)Trance beeinflusst.

Bei der nötigen Lautstärke entfaltet das Ganze eine ordentliche Wirkmacht. Perfekt für die Clubs, aber zu Hause bedarf es schon ordentlicher Boxen, um „Timewave Zero“ wirklich wertschätzen zu können. Aus der Masse heraus stechende Songs kann ich jedoch kaum identifizieren: EPR/EDP erinnert an eine technoide Variante von „Hate This“, in „Out of my Mind“ wurden dezente Retrosounds eingewebt. Hängen bleibt das nicht. Wirklich ärgerlich wird es bei der Album-Version des eigentlich großartigen „Chemicals and Circuitry“, das komplett seiner Seele beraubt dem „Timewave Zero“-Einheitssound angepasst wurde. Wirklich begeistern kann nur der Track „Deep Waters“, für den Lis Van Den Akker verpflichtet werden konnte. Die Sängerin, die manchen vielleicht von ihrer Zusammenarbeit mit Frozen Plasma bekannt ist, bereichert das grendelsche Klangbild ungemein und bildet mit ihrer schönen Stimme einen passenden Kontrast zum aggressiven Soundfundament. Poppig, aber dennoch nicht beliebig!

Insgesamt bleibt trotzdem ein durchwachsener Eindruck. Wohlwollende Kritiker könnten konstatieren: Grendel haben nichts verlernt. Ich dagegen behaupte: Sie haben einfach nichts dazugelernt! Routiniert, aber mutlos gehen die Niederländer auf Nummer sicher und kopieren sich selbst. Wer lediglich neuen Stoff zum Tanzen sucht, der wird damit zufrieden sein und bekommt, wenn er noch ein paar Euros mehr drauflegt, sogar noch eine zweite CD mit fast ausnahmslos überflüssigen Remixen dazu. Alle anderen können ihr Geld sinnvoller investieren.