Nach gut drei Jahren gibt es nun einen neuen Output des immer-noch-Insiders Glenn Love. Nur ganz kurz: Er kommt aus Kanada, ist Kennern der Electro-Ambient-Szene seit längerer Zeit ein Begriff und performt live auf (kanadischen Dark-)Raves und in Europa. Weitere Informationen finden sich in der Kritik zur Vorgänger-CD "Belle Epoque". Der Begriff des Electro-Ambients muss an dieser Stelle schon etwas abgeändert werden, denn so wie er als Genre für "Belle Epoque" trefflich passte, hat sich Glenn Love für eine Fortführung der Electronic in einem anderen Bereich entschieden: tanzbarer Industrial für die Massen, möglicherweise passender zum Begriff "Darkrave" aber auch weniger speziell komponiert als der Vorgänger. Damit wären wir schon mittendrin in "Cryptesthesia", das nach dem deutschen Duden "hochgradig verfeinerte Wahrnehmung, außersinnliche Wahrnehmung", im englischen Wikipedia mit "hidden sensation" bezeichnet wird und letzteres als Folge der deutschen Übersetzung bezeichnet werden kann. Der Anspruch dieses großen Wortes, das so gelassen verwendet wird, scheint akustisch (und auch entwicklungsmäßig) nicht ganz aufzugehen, wenn auch wie oben angedeutet die Tracks musikalisch für Auftritte auf Darkraves nun besser geeignet erscheinen. Es wummert, es hämmert, es kracht, monoton repetierend, mindestens immer vier Minuten lang für insgesamt knapp 50 Minuten zehnmal am Stück. Fans von Soman und This Morn' Omina werden eine gute Mischung dieser Projekte vorfinden, nur öfters eben in der "Harz-IV-Edition". Die Ansätze sind da, doch das, was Glenn Love an Besonderheiten, die die Electro-Ambient-Atmosphäre auf "Belle Epoque" auszeichneten hinzufügte, fehlt hier, wenn auch in anderer Form, fast gänzlich. Gut, Vocal-Samples sind als Neuerung mit an Bord, sogar in deutsch, wobei auch schon ein deutscher Titel namens "Der letzte Abend" auf dem Vorgänger vorhanden war. "Sagt mir wo" bekommt dadurch gleich einen gewissen "Marsch-Charakter". Und eine weitere Ausnahme ist ein wenig Celtic Folk, das sich aus seinen Roots in "Oil Peak" gerettet hat, was wiederum aber beatmäßig sehr nach "Sagt mir wo" klingt. Für den Tanzabend außerhalb der Wohnung und Gezappel bei technoiden Beatgewummer ist "Cryptesthesia" eine gute Empfehlung aber nach zwei Durchläufen zu Hause ist vermutlich erstmal Schluss. Denn auch wenn die Titel stark durch die wiederholende Monotonie auffallen, sind sie doch erkennbar unterschiedlich arrangiert. Das kann aber nur bedingt darüber hinwegtäuschen, dass, weshalb auch immer, Glenn Loves vorhandenes Potenzial für atmosphärische Besonderheiten hier fast vollständig vergessen wurde abzurufen und ein nicht wirklich besonderes Darkrave-Album auf den Markt geworfen wurde. Einzig "River" greift das gelungene "Landwehr"-Thema von "Belle Epoque" in einer "quasi-Version Nummer 2" erneut auf und ist neben dem ruhigen "Outskirts" sowie den Titeln "Sagt mir wo" und "Nuit Musee" ein guter Reinhör-Tipp. Glenn Love bleibt hiermit - selbstverschuldet - leider auch weiterhin ein Insider, zumindest bis zur nächsten Veröffentlichung.