Front Line Assembly haben sich seit Gründung des Projektes nie wirklich auf Stile festlegen lassen und oft für kontroverse Reaktionen gesorgt. Hier stellt sich wieder die alte und wahrscheinlich nie recht zu beantwortende Frage, was denn höher zu schätzen ist: Die Zufriedenheit und Befriedigung des Künstlers angesichts eines neuen Werkes oder die Erfüllung der Fanerwartungen - so widersprüchlich sie auch sein mögen (fordern doch die Einen eine stetige Weiterentwicklung und Veränderung während die Anderen am liebsten auf Kontinuität und Bekanntes hoffen). So wird auch sicher "Artificial Soldier" wieder für hitzige Diskussionen im Fanlager sorgen. Mit sehr atmosphärischen gewohnten Industrialklängen eröffnen FLA mit "Unleashed" ihr neuestes Studioalbum das Bill Leeb zusammen mit Chris Peterson, Rhys Fulber und (neu dabei) Jeremy Inkel (dürfte bereits einigen durch seine Mitwirkung bei Bill Leebs Nebenprojekt Noise Unit ein Begriff sein). Und im gleichen Muster geht es dann bei den folgenden Tracks auch weiter: sehr stimmungsvolle Harmonien treffen auf aggressive phrasierte Rhythmen, harsche Vocals die im nächsten Moment ins melodische abgleiten, ruhige Passagen wechseln mit treibenden Beats, die den Körper in Bewegung versetzen. Eine erste Zäsur setzt mit dem Song "Social Enemy" ein, wo die gesamte Songstruktur ihre Industriallastigkeit verliert und ruhigeren Beats Platz macht. Bei "Future Fail" hat dann niemand geringerer als Jean-Luc De Meyer einen Auftritt als Gastsänger bevor Eskil Simonsson von Covenant bei meinem ganz persönlichen Favoriten "The Storm" die Vocals beisteuern darf, wobei ich sie mir doch ein wenig klarer gewünscht hätte. Auch der letzte Track von "Artificial Soldier", "Humanity (World War 3)" stellt einen Kontrapunkt zu den harten ersten 60% des Albums dar und weiß doch sehr stark zu überzeugen. Auch der folgende Hidden Track schlägt in die gleiche Kerbe. Bekam man mit den ersten 6 Songs grundsoliden Industrial geboten (zwar sehr gut, atmosphärisch und ausgereift) so sind die wahren Perlen von "Artificial Soldier" in der zweiten Hälfte zu finden. Ein wirklich gelungenes Elektronikalbum, mit dem man nicht viel verkehrt machen kann.