Es war an irgendeinem Samstag des Jahres 1988, 14.00 Uhr, ich lauschte erwartungsvoll, wie fast immer zu dieser Zeit einer Radiosendung, namens “Electronics“, die auf “Jugendradio DT64“ ausgestrahlt und von einem gewissem Lutz Schramm moderiert wurde. Ich erahnte an dem besagtem Samstag noch nicht, dass einige Minuten später für mich die musikalische Welt, so wie ich sie bisher kannte, aufhören sollte zu existieren und ich aufbrechen sollte, neue musikalische Weiten zu entdecken, die Rede ist von meinem ersten Kontakt mit einer Formation und deren Musik, namens Front 242. Der bereits erwähnte Lutz Schramm, dem ich im nachhinein gesehen noch einige derartige glückselige Musikgeschichtliche Momente in meinem Leben zu verdanken habe, berichtete von einer belgischen Formation, deren Erscheinungsbild er sinngemäß so beschrieb, dass die “Anzugsordnung“ vornehmlich aus Overalls, kugelsicheren Westen, Schnürstiefeln, Schweißerbrillen und den aus heutiger Sicht, legendären Armbinden bestand.

Im ersten Moment schauderte mir etwas, hörte sich diese “Uniformierung“ doch eher nach einer paramilitärischen Einsatzgruppe an und nicht unbedingt nach der Beschreibung von Outfits einer Band, egal welcher Musikrichtung auch immer. Die Moderation informierte den Hörer nun darüber, dass eben diese Formation ein Album veröffentlicht hat, was auf den Namen “Front By Front“ hört und das in der Sendung nun drei Stücke davon gespielt werden würden. Es handelte sich dabei um die drei auf dem Album ineinander übergehenden Songs, “First In / First Out“, “Blend The Strengths“ und “Headhunter“. Ich muss gestehen, dass ich nach den ganzen beschriebenen Informationen mittlerweile so gespannt war, auf das was mir da gleich aus den Boxen entgegen donnern sollte, das ich es kaum noch aushielt und mir nur noch eines wünschte, “Hör bitte auf zu reden und spiel endlich diese Songs“. Kurz darauf erklangen dann die ersten Takte von “First In / First Out“ und der stets aufnahmebereite Kassettenrekorder ging Gott sei Dank auch rechtzeitig in den Record-Betrieb, so dass ich mich vollends dem hörerisch widmen konnte, was mir da entgegen kam und ich gleich verzückt, zur Freude meiner Mutter, den Volume-Regler der Stereoanlage nach oben drehte, das war doch jetzt nicht wahr, oder doch?! Um es nun etwas abzukürzen, nach dem Ende von “Headhunter“ und dem damit verbundenem beenden der Aufnahme wurde das Radio abgeschaltet, der Rückspullauf am Rekorder aktiviert und dann mindestens 3-4 Mal in Folge das eben Mitgeschnittene hörtechnisch konsumiert. Ich war total platt, begeistert und immer noch etwas überfahren vom eben gehörten, aber eines stand für mich sofort fest, das ist “meine“ Musik!

Ein, zwei Wochen später wurden dann in dieser Radiosendung dann noch die Songs “Circling Overland“ und “Im Rhythmus Bleiben“ gespielt und es bestätigte, bzw. festigte sich das, was der oben geschilderte erste Kontakt mit Front 242 und deren Musik bei mir ausgelöst hatte, genau “DAS“ isses! Wenn man sich nun heute, 18 Jahre nach Veröffentlichung, die 1988’iger Erstversion dieses Albums hernimmt und in den CD-Player schiebt, fällt eines sofort auf, dieses Album klingt immer noch frisch und keinesfalls minimal, verspielt und auch nicht etwa verbraucht oder gar unzeitgemäß und der Finger möchte, genau wie damals auch, sofort wieder den Volume-Regler nach oben drehen. Mir ist aufgefallen, dass heutzutage leider einige Leute gar nix mehr mit Daniel B., Patrick Codenys, Jean-Luc De Meyer und Richard 23 alias Front 242 anfangen können, die Band teilweise gar nicht mehr kennen, außer wenn der “Headhunter“ vielleicht grad mal im Club des Vertrauens vorbeischaut um die Tanzfläche wieder einmal mehr zu füllen, denn diesen Song dürfte wohl mittlerweile jeder Clubgänger schon einmal gehört haben, selbst wenn er vielleicht gar nicht realisiert, dass die dazugehörige Band eben Front 242 ist. Der Song “Never Stop!“ hat es damalig leider nicht mit auf das Album geschafft und wurde zunächst “nur“ als Single veröffentlicht, wer jedoch die Remastered Version von “Front By Front“ sein eigen nennt, der findet darauf nicht nur die 10 Songs des regulären Releases vor, sondern noch 6 Bonustracks und da dann eben u.a. auch zwei Version von “Never Stop!“. Ich persönlich besitze mittlerweile natürlich beide Versionen.

Als so ca. 1989/1990 auch in Dresden die ersten “neuen“ Plattenläden entstanden und eröffneten, hatte ich doch auch gleich beim ersten Besuch eines solchen das Glück, dort die “Front By Front“ zu bekommen, damalig als Langspielplatte. Die LP tauschte ich dann ein paar Jahre später gegen die CD-Variante ein und später legte ich mir auch noch die Remastered Version zu, beides alles andere als Fehlkäufe. Front 242 haben sich damalig sicherlich völlig unbewusst, aus heutiger Sicht jedoch unbestreitbar mit “Front By Front“ ein Denkmal zu Lebzeiten gesetzt, um so trauriger finde ich das Treiben dieser wirklichen “Kult-Formation“ heutzutage, aber darum soll es ja hier jetzt auch gar nicht gehen. Dieses Album “musste“ ich für meinen Beitrag dieser Rubrik hier auswählen, da es mich bis zum heutigen Tag begeistert, mitreist und rückblickend gesehen den wohl größten Einfluss auf mein musikalisches Interesse ausgelöst hat. Die Musik des Albums setzt sich aus Drum orientierten Rhythmusstrukturen, gepaart mit diversen Synthesizer-Sounds und Sprachsamples zusammen. Seinerzeit, wir sprechen hier wie gesagt vom Jahr 1988 war das eine kleine Revolution und etwas bisher nie da gewesenes, nicht von ungefähr werden Front 242 oft auch als die Erfinder des EBM, der Electronic Body Music genannt. Mit elektronischer Körpermusik hätte man diese Art von Musik auch gar nicht besser titulieren können. Diese teils filigranen, teils bombastischen Mixturen haben auch im Jahr 2006 nichts von ihrer Wirkung eingebüßt. Ach ja, hätte ich das Wichtigste doch fast noch vergessen, “No Sex Until Marriage“, Kenner des Albums dürften wissen was ich meine. :-)