Wer im Jahr 2001 Depeche Mode auf ihrer Exciter-Tour besuchte, wir vielleicht über den Namen der Vorband gestolpert sein. Frank Tovey gab sich nach beinahe 20 Jahren Ruhepause als Dag Gadget wieder die Ehre und ließ sein 1984 abgelegtes Alter Ego wieder aufleben. Anfang der 80er spielten war es noch anders herum, da spielten Depeche Mode im Vorprogramm von Fad Gadget. Doch Frank Tovey kümmerte das überhaupt nicht, er sah seine Chance gekommen, Fad Gadget noch einmal zu reanimieren und neue musikalische Wege zu beschreiten. Das tat er bereits, bevor er 1979 das erste Signing des jungen Mute-Labels wurde. Seine Experimente mit Computern und Maschinen waren nicht nur ein Wegweiser für die in den 80ern aufkommende elektronische Musik. Frank Tovey gilt für unzählige Musiker als Inspirationsquelle, für manche auch als Idol. Und gerade als es so aussah, als ob die Welt wieder mit neuen Fad-Gadget-Songs beglückt würde, wurde Frank Tovey 2002 durch einen Herzinfarkt aus dem Leben gerissen (zu den News). Für viele ein Schock. Trotz dieses tragischen Endes wird Frank Toveys Musik weiterleben. In Gedenken an diesen einzigartigen Musiker veröffentlicht Mute eine umfassende Zusammenstellung bestehend aus zwei CDs und zwei DVDs. Für die Hommage an einen der ganz großen, mitreißendsten und polarisiertendsten Klünstler hat nicht nur Mute seine Archive durchforstet, sondern es ist auch Material aus Frank Toveys Nachlass enthalten. Unvergessen sind seine Bühnenauftritte. Der sonst so zurückhaltende Musiker wurde zum Derwisch, ein rasendes Bündel Energie, das keine Grenzen und keine Schmerzen kannte. Sich beim Song "Ladyshave" von oben bis unten mit Rasierschaum einzusprühen ist da noch bei weitem das harmloseste. So verletzte er sich z.B. einmal schwer im Gesicht, als er das Mikro um den Hals wirbelte. Oder er riss sich bei einem Sprung die hinteren Sprungbänder beider Füße und musste sich kriechend auf die Bühne retten. Neben Promo-Videos und einigen alten und aktuellen Live-Performances ist vor allem die Dokumentation beeindruckend und sehr informativ. Hier kommt nicht nur Mute-Chef Daniel Miller zu Wort, sondern auch Toveys Labelkollegen Dave Gahan und Martin Gore von Depeche Mode, genauso wie viele Freunde und weitere Künstler. Und alle sind sich einig: Frank Tovey war ein Genie und übte maßgeblichen Einfluss auf die Musik der nach ihm folgenden Jahre und Jahrzehnte aus. Dies merkt man auch beim Hören der zwei Audio-CDs, die einen Überblick über das Werk von Frank Tovey geben. Songs wie "Back To Nature" oder Ricky's Hand", welches sein erster Hit war und ihm zum Durchbruch verhalf, zeigen imposant den Einfallsreichtum und die Fortschrittlichkeit in seiner Musik. Kein Wunder also, dass sich Bands wie Depeche Mode an seiner Musik orientierten. Aber Frank Tovey konnte auch anders. Ende der 80er schockte er seine Fans, als er zusammen mit der Band The Pyros auf einmal Richtung (Irish)Folk tendierte. Für ihn ein logischer Schritt, für seine Anhänger unbegreiflich. Aber das zeigt nur, dass für ihn allein seine Musik zählte und nicht das Anbiedern an die Vorlieben anderer oder gar den Mainstream. Frank Tovey ist und bleibt einer der Elektro-Pioniere, auch wenn ihm diese Rolle nie wirklich gefiel, da für ihn Synthesizer nur Mittel zum Zweck waren. Dafür war er ein musikalischer Revolutionär. Deshalb schließt diese Review einer wunderbaren Zusammenstellung mit einem Zitat von Frank Tovey, das sich einige der heutigen Musiker zu Herzen nehmen sollten: "Es gibt heute kaum noch wirklich alternative Künstler. Die so genannte 'alternative Musik' ist dieselbe Scheiße wie die Musik in den Charts. Es ist Tanzmusik ohne Inhalt, niemand hat mehr etwas zu sagen. Mit visionärer Jugendkultur hat das nichts mehr zu tun. Rockmusik hat ihre Midlife-Crisis erreicht." (Quelle: Interview mit Ecki Stieg 2002, mute.de)