Fortíð, beziehungsweise zunächst Fortid, kehren zum Labeleinstand bei Prophecy Productions zurück auf die mystische Insel Island. 2002 gründete Einar "Eldur" Thorberg Fortid als Soloprojekt, lebte dann aber in der Zeit zwischen 2008 und 2017 in Norwegen und ließ Fortíð zu einer richtigen Band anwachsen. Nach dem letzten regulären Album ‚9‘ in 2017 trat er die Heimreise an um nun zusammen mit einem Mitstreiter aus älteren Tagen, dem Drummer Kristján Gudmundsson, Album Nummer sechs einzuspielen: ‚World serpent‘. Soweit zu meinem Google-Wissen, ich gebe zu, dass ich die Band erst 2020, eben mit diesem mir vorliegenden Album, kennenlerne. Deswegen wage ich mich nicht an eine Besprechung der Entwicklung im Sound, sondern belasse es bei meinen Eindrücken zum aktuellen Klangkosmos:

‚World serpent‘ teilt sich auf in zwei Teile, den Abschied von der alten Konstellation der Band und dem aktuellen Status als quasi-wieder-Soloprojekt weit draußen auf der Lavainsel im Atlantik. Denn die ersten fünf Songs nahm Thorberg noch mit den inzwischen ehemaligen Mitstreitern in Norwegen auf, die folgenden fünf entstanden aktuell. Und auch wenn die Unterschiede deutlich sind, sowohl was den Sound als auch die musikalischen Inhalte angeht, wirkt ‚World serpent‘ keinesfalls zerrissen, sondern als in sich schlüssiges und tolles Album.

Zunächst vernehmen wir nach dem Intro einen Sound, der die schwarzmetallischen Wurzeln laut eigener Aussage mit dem Sound des Bay-Area-Thrashs verknüpft. Ein klarer Fokus auf melodische verspielte Gitarrenläufe, weniger düstere, als harte Klänge und druckvolle Momente voller Pathos – der Kopf wippt beim Hören automatisch mit. Die Vocals sind mal Clean-verhallt, dann ist es melodischer Shoutgesang. Schon „The true awakening“ ist stark, die folgenden beiden Stücke sind aber noch einen Zacken stärker. Ich fühle mich in Sound und Stimmung an das Debüt von Devar erinnert, dass mir vor 11 Jahren ausgesprochen gut gefiel – gerade der Gesang, der gegen die mehrläufigen Gitarrenriffs anskämpt und dabei fragil wirkt und die vielen Breaks und Bridges passen mir gerade gut in mein Alltagserleben. Bei „Insignificant is the wormking’s throne” mischt sich auch klassischer Heavy Metal in den Sound – abwechslungsreich, reichhaltig, klasse. Beim treibend beginnenden „Supressed opposition“ kommt zunächst ein wenig Dimmu Borgir Feeling auf, so zu Mitte/Ende der 90er, bevor man sich wieder in etwas komplexere Riffgefilde aufmacht, dabei aber ein wenig mein Interesse verspielt.

Mit dem folgenden Song landen wir in der Gegenwart auf Island und einer deutlich schwarzmetallischeren Ausrichtung. Der klagende Gesang wechselt sich nun mit einem traditionellerem, finsteren Fauchen ab, die Melodien werden wesentlich geradliniger transportiert, die Gitarrenläufe drängen sich kaum noch in den Vordergrund und stattdessen erschafft das Zusammenspiel aller Komponenten einen für Islands Extreme-Metal Szene typische Soundwand, die einen Zacken vertrackter ist als old-schooliges aus Norwegen oder Schweden. Man bedient sich immer wieder in anderen Genres, ohne dabei wirklich vom Kurz abzuweichen, als sei das das Normalste der Welt. Wenn es gelingt, ist dieser Sound ein Freudenfest. Hier gelingt es. Besonders empfehlen kann ich „Beyond…“ und die anschließende Walze „Perfect annihilation“ sowie das wunderschöne Outro „Last line of defense“.

Das Wunderbare an diesem Album ist, dass es (wie so viele andere) einen Übergang darstellt zwischen zwei Schaffensphasen. Anders aber als bei so vielen Alben, die weder Fisch noch Fleisch waren, sondern halbgares Suchen nach neuen Pfaden entschied sich Thorberg für einen sauberen, ehrlichen Cut zur Albummitte. Hier der alte Sound und voià, so geht es nun weiter. Durch seinen Gesang und eine angenehme, transparente Produktion ist der Übergang zwar deutlich zu vernehmen, aber kein Bruch bei einem Durchlauf. Es sind schlüssig nebeneinander stehende Kapitel und beide Teile bringen meinen Nacken zum schmerzen und meine Mundwinkel nach oben.

 

Fortíð

World serpent

 

11.12.2020

Prophecy Productions

 

https://fortid.bandcamp.com/album/world-serpent

 

01. AI 2020
02. The true awakening
03. Controlled patterned mental process
04. Insignificant is the wormking’s throne
05. Suppressed opposition
06. Son of a barren land
07. Pandemic
08. Beyond the grips of odium
09. Perfect annihilation
10. Last line of defence