Ein erstaunliches Debüt bescherten uns Forced Movement vor einem Jahr. Für ein zweites Werk ist die Zeit noch nicht reif, stattdessen gibt es Sahneschnittchen in Form von Mixes, Reworks und ein paar unveröffentlichten Bonus-Tracks. Offensichtlicher als das IAMX dieses Jahr getan hat, bedient sich die Band mit ‚Salt’ eines Anagrams um die veränderte Version von ‚Last’ passend zu benennen. Zwei CDs mit insgesamt zwanzig Songs und fünfundneunzig Minuten Spielzeit machen neugierig. Bevor man zum Hören kommt muss rohe Gewalt her, denn die liebevolle Pappverpackung lässt sich nur durch gnadenloses Zerstören mit Reißlasche öffnen. Heraus kommen zwei CDRs in handgemachten Pappschubern mit ästhetisch durch den Fotoapparat eingefangene fliegende Möven in künstlerischen Grautönen. Schon allein dies macht glücklich. Nach dem ersten durchhören hat sich schnell das absolute Highlight gefunden: ‚Drowning’ ist der legitime Nachfolger zu ‚Wrong’, der Song, den Martin Gore leider nie geschafft hat zu schreiben. Ein brachialer Beat, elektronische Störgeräusche in Stereo und eine gewollt relaxte Gesangsspur haben es sowas von in sich, man kann es kaum glauben, wie der Mix den Song ‚Drown’ vom originalen Album noch einmal aufwertet. Ein spröder Bass erledigt das Übrige und produziert so mit den anderen Bestandteilen Electro-Perfektion von seltener Schönheit. Die auf CD2 enthaltene ‚Version Katjusha’ des Songs ‚Drown’ ist nicht ganz so kraftvoll, reicht jedoch mit eher pop-ausgerichteten Sounds an die Güte von ‚Drowning’ heran. Fiepsend-amüsante Ungereimtheiten umarmen im ‚Kid Atari Mix’ von ‚Great Afternoon’ sphärischen Gesang und erschaffen eine überraschende Symbiose der musikalischen Farbtöne, während der ‚Private Cut Remix’ desselben Titels eher dunkel schimmernde Mystik transportiert. Von der fragilen Verstörtheit des Originals hat man sich dabei ganz verabschiedet. Mehr Harmonie spendiert man diesmal bei ‚After All’, das im ‚Baskfield Remix’ nun stärker Synthpop-inspiriert klingt. Gleich drei Versionen von ‚Change Right’ sind enthalten. Am besten transportiert Leonard Las Vegas, letztes Jahr auch live mit Forced Movement unterwegs, den Spannungsbogen im Song durch krachige Passagen zwischen harmlos klingenden Strophen, während die ‚Shake it Off’ Version eher eine hypnotische Alternative-Housenummer geworden ist. Auf der ersten CD muss ‚Pull Myself’ erwähnt werden, was bisher nur auf Promo-Releases verfügbar war. Traurig-elektronisch beginnend bis monumental-extatisch im Mittelteil ein wichtiger Song, der die Richtung für ‚Last’ aus meiner Sicht wesentlich prägte. Das ‚Conspiracy Theme’ klar und ohne offensichtliche Gitarre hingegen kommt gleichmäßig mit Clicks und Klavieranschlägen im unteren Drittel aus, während ‚I Feel So Strange’ zunächst OMD-like beginnt und verschroben-synthy-englisch an Dichte gewinnt. Einer der harmonischsten Beiträge ist ‚In Your Mind’, ein Song der wieder an die typischen Vertreter des Genres zwischen Mode und Etienne Daho erinnert. Mit ‚Steelbirds Falling’ und ‚Feel The Heat’ sind persönlich betrachtet auch zwei schwächere Songs dabei, denen es einfach im Vergleich ein wenig an sich festsetzendem Ausdruck fehlt. Übergreifend betrachtet ein Release der wieder einen essenziellen Wert aufweist. Aufgrund der verschiedenen Remixer deckt ‚Salt’ einen breiten Scope ab, was gleichzeitig bedeutet, dass nicht das ganze Material gleich gut gefallen wird. Interessant im positiven Sinne sind dann jedoch alle Beiträge. Forced Movement, das Salz im derzeitigen deutschen Indie-Electro-Eintopf? Definitiv!