„Feeling B hat die DDR nicht erschüttert, spielte aber den Soundtrack zu ihrem Untergang.“ Alles begann vor wenigen Jahren, als Christian „Flake“ Lorenz, seines Zeichens Tastenmann von Deutschlands wichtigstem musikalischen Exportschlager Rammstein, in alten Kisten rumkramte und auf alte, angestaubte musikalische Schätze seiner Vergangenheit traf – Feeling B. wurde wieder zum Leben erweckt. Doch was tun mit den musikalischen Ergüssen? Die Antwort schien auf der Hand zu liegen, denn statt einer normalen Veröffentlichung zu frönen, erscheint zusammen mit der CD das dazugehörige Buch, mit allen Kuriositäten, Hintergründen und Sinnlosigkeiten der ersten und einzigen Ost-Punkband, die es zu einem Deal mit dem DDR-Plattenlabel Amiga schaffte! Unvorstellbar glaubt ihr? Mitnichten – obwohl man sich die Symbiose von Punk und Planwirtschaft schlecht vorstellen kann, es gab sie? Wie es dazu kam und weitere Antworten könnt ihr in dem 160 Seiten starkem Werk nachlesen. Dutzende Bilder sowie diverse Absonderlichkeiten (u.a. die Stasi-Akte von Flake) bieten ein breites Spektrum an Eye-Catchern, während viele damalige Zeitzeugen mit ihrer Sicht auf die Musik, die Kultur und den Band-Alltag zur Zeiten des eisernen Vorhangs dieses hochinteressante Buch abrunden. Neben dem Buch gibt’s auch was auf die Ohren. Mit insgesamt 13 Stücken stellt der Silberling aber keine Best-of dar, sondern einfach ein (digital remasteter) Zusammenschnitt, aus der Zeit des Dreigespanns Flake, Paul Landers (ebenfalls heute Rammstein) und Sänger Aljoscha Rompe von 1983 bis 1993. Doch wer bei Punkrock gleich an Texte über Terrorstaaten, Faschisten und Bullenschweine denkt, kann diese Vorurteile gleich mal an der Garderobe abgeben. Platte politische Provokation wird man in den Texten nicht entdecken, dafür kleine Sinnlosigkeiten, Kuriositäten des Alltags oder einfach totalen Hirnfasching. Während „Graf Zahl“ mit Nachhilfe im Zahlenfolgenkunde um die Ecke kommt (Text: „Eins, zwei , drei, vier…bis 125!!!!“), klärt uns „Langeweile“ endlich auf, wie es zu einigen der genialsten Errungenschaften der menschlichen Kultur kam, z.B. dass Martin Luther die Bibelübersetzung oder Marie Curie die Spaltung der Atome mal eben aus reiner Langeweile getätigt haben. Und dass Feeling B, zwar zur Vergangenheit zu zählen sind, deren Musik jedoch auch in die in die Moderne (sprich YouTube) reicht, zeigt das offizielle Video. Tanzbarer geht es auf „Herzschrittmacher“-(„rhythmus, wo jeder mit muss“) zu, bei dem zu fast schon Industrialartigen Gitarrenriffs nicht nur der Kopf, sondern auch der Rest des Körpers in Schwingung kommen MUSS. Musikalisch bewegt man sich größtenteils im 3 Akkorde Bereich, wobei manche Parallelen zu Flakes aktueller Band Rammstein nicht zu überhören sind - ob mir dies allerdings auch aufgefallen wäre, wenn mir diese Info des derzeitigen Arbeitsplatzes nicht zugekommen wäre, bleibt auf ewig ungelöst. Doch nicht nur Punkrock gilt es zu entdecken: Mittelalterrock („Veris Dulce“) und sogar elektronischen Klänge eines C64 („Spacerrace“) kommen zum Vorschein, wobei jeder Song mittels des Buches kommentiert und genauer beleuchtet wird, was den Hörgenuss noch steigern kann. „Grün & Blau“ stellt somit nicht nur eine x-beliebige Veröffentlichung oder gar ein Produkt der ewignervenden Ostalgie-Welle dar, sondern ein liebevolles aufbereitetes Stück Musikgeschichte. Eben ein authentisches und musikgeschichtlich wertvolles Dokument des Ost-Punks. Mit sieben bisher unveröffentlichte Songs, ein Muss vor alle Feeling B Fans, Musikliebhaber und Interessenten, die auch über den Tellerrand bzw. die ehemalige Mauer schauen wollen.