Die Bezeichnung „EP“ im Titel des aktuellen Outputs des Dark-Elektro-Pop Duos Fearing Christmas wird der CD nicht ganz gerecht, geht sie doch mit dem beachtlichen Umfang von 9 Tracks über ein Mini-Album hinaus. Ganze fünf neue, ein überarbeiteter alter Song sowie drei Neuinterpretationen älteren Materials, die von befreundeten Bands beigesteuert wurden, finden sich auf „Die Morgennacht EP“. Das möchte ich deshalb betonen, weil es ja immer mehr Mode wird, Singles mit diversen Remixen derselben Songs auf EP (Preis-) Niveau aufzublasen. Dafür, sich nicht diesem Trend anzupassen, an dieser Stelle schon mal ein paar Vorschußlorbeeren an Sascha und Luke. Musikalisch hat sich im Hause Fearing Christmas seit dem offiziellen Debut-Album „Turm schlägt Pferd Schachmatt“ einiges getan. Die „Morgennacht EP“ wirkt schon beim ersten Durchhören vielfältiger und ausgereifter. Daß man seine Wurzeln, die im Darkwave der 80er und frühen 90er liegen, nicht verleugnet, wird daran deutlich, daß man mit „Summerlove [Short Vacation Mix]“ einen 12 Jahre alten Track auf die EP genommen hat . Dieser erinnert mit seinem markanten Sprechgesang und der rhytmischen Keyboard-Begleitung an alte Anne Clark Songs. Gleichzeitig markiert er laut Aussage der Band den Abschied von der englischen Sprache. Die Sprache der Zukunft bei „Fearing Christmas“ ist also Deutsch und das ist gut so, denn nur so kommt die düster-mythische Stimmung der aus den Titeln „Letztes Gebet“, „Adoleszenz“ und „Intermezzo“ bestehenden Abt-Trilogie voll zum Tragen. Thematisch um ein Ritual angesiedelt, in dem der sterbende Abt mit einer auserwählten Nonne seinen Erben zeugt, wird der Hörer im Intro des „Letzten Gebetes“ mit Kirchenorgel und Engelschören in's Gewölbe des „Todesklosters“ geführt. Diese Stimmung verliert sich bei „Adoleszenz“, dessen Sprechgesang mit relativ schnellen Synthies unterlegt ist, zwar wieder, wird jedoch in „Intermezzo“ wieder aufgenommen. Die Rezitierung der Lyrics und die spärliche Begleitung erinnern dabei stark an Goethe's Erben. Dieser Stil wird in dem melancholischen „Ende des Sommers“ fortgeführt. Mal von einer ganz anderen, mitreißenden Seite wird der Fearing Christmas Sound in den Bonustracks gezeigt. Hier verleiht der God's Bow Remix von „Wave“ dem etwas arg bedrückten Original mit den Vocals von Sängerin Agnieszka deutlich mehr Pfiff, ohne die Melancholie zu zerstören. Equatronic und Dedication zielen dagegen in ihren Remixen von „Ebene 5“ und „Summerlove“ eindeutig auf die Tanzfläche. Vor allem „Summerlove“ bekommt durch die treibenden EBM-Beats ein völlig neues Gesicht. Mit „Die Morgennacht EP“ haben Fearing Christmas einen großen Schritt nach vorne getan, einerseits was die Vielfalt andererseits was die Umsetzung der Vocals betrifft. Der auf dem Vorgänger oft allzu klagende Gesang ist an vielen Stellen dem Rezitativ gewichen, was dem Sound nur guttut. Auf gleich hohem Niveau geblieben sind die schon auf dem Vorgänger sehr nachdenklichen Lyrics. Es bleibt spannend, welchen Weg das Duo in der Zukunft einschlagen wird.