ESA (Electronic Substance Abuse) ist das Ein-Mann-Projekt des Briten Jamie Blacker, welcher damit seit 2002 seine musikalischen Fähigkeiten im Bereich Rhythmic Noise, Industrial und Ambient exerziert. Davon, dass er etwas von seinem Handwerk versteht, zeugen seine zahlreichen Live-Performances, Remixes (u.a. für Caustic, Autoclav1.1, Displacer, Modulate und C-Drone-Defect) und natürlich auch seine Alben. Das dritte und jüngste Album, "The Sea & The Silence", ist Ende 2008 bei Tympanik Audio erschienen, und um die Zeit zum, in Arbeit befindlichen, Nachfolger zu überbrücken, spendiert er der Welt eine Zusammenstellung zahlreicher Remixes dieses Werks in Form von "The Immaculate Manipulation". Das erste Stück ist jedoch kein Remix, sondern kommt frisch aus ESA's Klang-Schmiede, und liefert stampfenden 4-to-the-Floor-Beat, abgehackte Synth-Säge, z.T. E-Gitarren-Geschrammel im Hintergrund und geshoutete, verzerrte Vocals. Beim weiteren Durchhören offenbart sich ein erfreulicher Abwechlungsreichtum, so geht es weiter mit Psytrance-Interpretationen von Psilopsyb, welcher sich der Tribal/Noise-Nummer "The Devil Worships Me" angenommen hat, und Mood Deluxe, der das Rhythmic-Noise-Original in neuem Schwarzlicht erscheinen lässt. "The Drawbacks Of Sleeping In Silence" spielt auf mehrere Lieder an, die in der vorliegenden Breakcore-Umsetzung kaum wiederzuerkennen sind. Prägnant stechen hier die tiefen, kurzen E-Gitarren-Riffs hervor. Manufactura's Remix hört sich an wie ein originales Stück von ihm, das im Vergleich zur Vorlage mit einem Zusatz an Noise und ausgefeiltem Rhythmus aufläuft, wobei es auf mich auch wesentlich aggressiver wirkt. Was auf die erwähnten ersten Remixes zutrifft, gilt auch für alle folgenden: Die Handschrift der Beteiligten ist jeweils eindeutig zu erkennen und die Ergebnisse stellen eine genuine Neuinterpretation des gegebenen Materials dar. Das Stil-Spektrum entspricht somit den verschiedenen Hintergründen, dem die Remixer entstammen, und umfasst neben Psytrance und Rhythmic Noise z.B. Trip-Hop (Light Out Asia-Remix, einer meiner Favoriten), IDM/Glitch (Access To Arasaka, Stendeck) oder Electro-Industrial-Irgendwas (C-Drone-Defect). Auch das Tempo variiert dementsprechend, wobei Le Monsieur L'Antichrist und Light Out Asia die langsamsten Beiträge liefern. Auf der Innenseite des Covers kann man zudem einen Code ablesen, mit dem man auf der Tympanik-Website weitere 9 Remixes herunterladen kann, welche die relativ hohe Qualität und die erwähnte Vielfalt des physischen Trägers aus Polycarbonat fortführen. Garanten dafür sind auch Keef Baker, Lucidstatic, Autoclav1.1 und Ah Cama-Sotz, die ihre persönliche Tonmarke hinterlassen. Zum Schluss gibt es noch einen ebenfalls überzeugenden Remix von ESA selbst, bei dem er den grollenden Bass des Originals zurückschraubt und der Melodie bzw. dem klaren weiblichen Gesang mehr Raum zur Entfaltung lässt, begleitet von Akustik- und E-Gitarre plus erfrischendem Beat. Es gibt sicherlich immer noch Menschen, die den Begriff Remix als negativ konnotiert wahrnehmen und ihm abwertend gegenüberstehen. Ich spreche ihnen hiermit mein Beileid aus. Von Tanzflächen-Futter bis Audio-Akrobatik ist alles gegeben. Selbst wenn es sich um denselben Track handelt, der auf "The Immaculate Manipulation" remixed wurde, ähneln sich die Ergebnisse nur marginal und sind den Vorlagen meiner Auffassung nach ebenbürtig. Und auch wenn man mit einigen vertretenen Genres nichts anfangen kann, lohnt sich aufgrund der stilistischen Heterogenität der Beiträge die Investition, von der beachtlichen Spielzeit von ca. 123 Minuten mal ganz abgesehen.