Leider gehörten Erasure schon lange nicht mehr in die Riege der innovativen Bands, die den Mut zur Veränderung haben. Zwar waren die letzten Alben ‚Light At The End Of The World’ und ‚Nighbird’ nicht unbedingt schlecht, was die Produktion und den Grip angeht jedoch mehr als schon mal da gewesen. Auf jeden Fall ist Vince Clarke noch immer eine Gallionsfigur was Sounds und Melodien im Synthpop-Umfeld angeht, aber er ist produktionstechnisch im letzten Jahrtausend hängen geblieben. Dies zeigte sich das erste Mal als Andy Bell mit ‚Electric Blue’ 2005 ein erstaunlich gutes Soloalbum mit Club-Ansätzen veröffentlichte und mit der Manhatten Clique die passende Aufbereitung seiner Songs vornahm. Vielleicht hat dies auch Clarke gehört, der noch immer zusammen mit Bell die für Erasure so typisch gefälligen, aber immer wieder begeisternden Melodien bereitstellt, die Regler jedoch diesmal fast vollständig aus der Hand gab. Denn im Booklet steht nicht nur ‚Produced By Frankmusik’ sondern auch – man höre und staune – ‚Programming and Instrumentation By Frankmusik’ und ‚Keyboards and Pianos by Frankmusik’. Das ist eine Aussage und eine Entscheidung die Vince Clarke sicher nicht einfach gefallen ist, aber genau die richtige war um Erasure wieder ins Geschäft zu bringen. ‚Tomorrow’s World’ konzentriert sich darauf Erasure neu zu definieren ohne dabei Wurzeln aufzugeben und den Wiedererkennungswert zu schmälern. Bell muss nicht so oft in die hohen Tönen, womit eine weniger anstrengende, durchgängige Gesamtatmosphäre geschaffen wird. Konzentration scheint eh eines der Hauptziele gewesen zu sein, denn das Album schafft es mit seinen neun Songs in der Standard-Edition nur unwesentlich über eine halbe Stunde Spielzeit, die enthält dafür jedoch auch nur gut hörbare Songs ohne Längen und schon gar keine Fülltitel. Die neue Leichtigkeit des Erasure-Seins, die sich mit der Single ’When I Start To (Break I All Down)’ bereits andeutete zieht sich somit durch alle Songs, greift in Titeln wie ‚I Lose Myself’ oder dem absolut süchtig machenden ‚Be With You’ alte Muster auf, verpackt diese neu und weiß damit äußerst positivzu überraschen. Eine Band von der ich mich aus den Veröffentlichungen der letzten zehn Jahre nicht mehr viel erhofft hatte, reißt gekonnt das Steuer herum, findet zu neuer alter Größe und schaff es mich evtl. zum ersten Erasure-Konzert meines Lebens zu motivieren. Dass ich das noch erleben darf!