Tobias Sammet hat anscheinend Hummeln im Hintern. Kaum ist der Rauch um das letzte Avantasia-Album hinterm Horizont verzogen, steht er schon wieder mit einem neuen Edguy-Album in der Prärie. Viele Frage standen vor „Tinnitus Sanctus“. Wird man nun endgültig zum Radio-Rock schielen und ideenlose Massenware auf das Volk werfen? Wird man das laue „Rocket Ride“ vergessen machen können? Wird dessen Charterfolg (Platz 8) getoppt werden können? Alle Fans der alten Schule können aufatmen. Das Album ist zum Glück kein zweites „Rocket Ride“ geworden. Edguy besinnen sich wieder auf das, was sie am besten können: eingängige Hymnen mit Ohrwurmcharakter. Druckvoll, mit jeder Menge Eier stampfen sich die Songs aber erst nach einigen Durchläufen ins Hirn. Dann aber richtig. Back To The Roots heißt es bei einigen Songs. Hymnen wie das grandiose „Speedhoven“, „The Pride Of Creation“ oder das herrlich lockere „Dragonfly“ kommen öfter zum Vorschein, als es bei den letzten Alben der Fall war. Das ist auch gut so, denn einige platte Tracks wie „Sex, Fire, Religion“ oder „9-2-9“ können so leichter verschmerzt werden. Fette mehrstimmige Refrains lassen schnell das schmerzlich vermiste Opernfeeling wieder aufkommen. Bereits der Opener „Ministry Of Saints“ sorgt für krachende Nacken und trockene Kehlen. An manchen Stellen klingen Edguy sogar mehr nach Avantasia, als die letzte Veröffentlichung der Rock-Oper selber. Das bereits angesprochene „Speedhoven“ hätte genauso gut auf „The Scarecrow“ oder besser noch auf „Avantasia“ landen können. Geiler Speed, geiles Mitsingparts, fette Chöre...der stärkste Edguy-Song seit Jahren. Aber von der obersten Qualitätssorte tummeln sich hier einige. Daneben finden sich aber leider auch einige Füller. „Nine Lives“ ist so einer. Wie ein zahnloser Tiger versucht man mit kraftvollen Gitarren Power zu versprühen. Doch das Ergebnis ist ernüchternd und klingt ungewohnt verkrampft. Das es besser geht zeigt bereits das nachfolgende „Wake Up Dreaming Black“, bei dem man neben viel Energie noch schöne Mitsing-Parts eingebaut hat. Mit „Thorn Without A Rose“ hat uns Hellfire Tobi und seine Jungs auch wieder was zum Kuscheln auf die Scheibe gepackt. Kurz vor der Kitschgrenze macht das Stück halt, schaut kurz mal drüber, kann sich aber noch auf die sichere Seite retten. „Dead Or Rock“ kommt textlich herrlich klischeemäßig rüber, kann aber durch einen erneut mehrstimmigen und griffigen Refrain zu einem weiteren Highlight der Edguy-Historie werden. Dicke Eier, große Fresse gehören einfach dazu, wenn Edguy um die Häuser ziehen. Immer mit einem Zwinkern und einem Grinsen .Genau wie beim nicht ganz ernst gemeinten Rausschmeißer „Aren’t You A little Pervert, Too?“, das Tobi den Truppen widmet - ein echter Rock n’ Roller mit 60s-Feeling. „Tinnitus Sanctus“ zeigt Edguy endlich mal wieder von ihrer besten Seite. Auch wenn nicht jeder Song zündet, so übertrumpft es „Rocket Ride“ spielend leicht. Guter Stoff!