Vor kurzem stieß ich durch Zufall auf das junge französische Label Le Crépuscule du Soir, die sich auf die Sparten Ambient und Black Metal (und die sich darin befindende Schnittmenge) spezialisiert haben. Genau mein Ding und in diesem wettertechnisch katastrophalen Sommer ist mir grad eh nicht nach eitel Sonnenscheinmusik – so entstand der Kontakt. Aus der ganzen Masse an Bands, die sich nun bei mir eingenistet haben will ich heute mit dem meiner Meinung nach stärksten Vertreter beginnen: Das schwedische Solo-Projekt Draugurinn. "Mykraverk" heißt dieser Batzen rituellen Unwohlseins, der meine Hallen erfüllt und wie ein Sog auf alle in Hörreichweite befindlichen Menschen wirkt. Fast eine Stunde wird der Hörer aus dem Jetzt entführt, mitgerissen in die wilden Einöden des Nordens, in denen Stämme ihre schamanischen Zeremonien abhalten (Bitte nagelt mich nicht auf mein fehlendes Fachwissen zu nordischer Mythologie fest - die Titel schauen zum Teil isländisch aus, aber nicht alle). Eine Stunde, in der das Sein erfüllt ist von monotonen Trommeln, Stimmfragmenten und einer finsteren Atmosphäre. Das Zweitwerk des Musikers Draugr, der mit Informationen sehr sparsam haushaltet, ist unglaublich mitreißend. Nach der warnenden Anfangsbeschwörung "Móðir ringulreiðarinnar" bereist der Hörer in "Urðarmáni" eine karge Welt. Es wird kälter und ein ungutes Gefühl beschleicht den Hörenden. Eine immer wieder angeschlagene dumpfe Glocke leitet die Zeremonie im dritten Stück "Andsetin" ein. Fast 11 Minuten Monotonie, durchzogen von allerlei befremdlichen Geräuschen zehren am Nervenkostüm des Hörers, dann setzt eine Trommel ein, der Puls steigt und mit ihm die Furcht. "þurizas" ist das melodischste Stück dieses Rituals. Eine einfache Melodie auf einem Zupfinstrument, Percussiones, verzehrte Klagelaute und die zur Hälfte hin einsetzenden und immer treibenderen Trommeln – mich zumindest verschlingt dieser Sog vollkommen. Das fast ausschließlich auf monotone Percussions setzende "Nornaskapur" lässt den Puls ein wenig zur Ruhe kommen, die Zeremonie ist an ihrem Ende. Und so führt "Kvæði uruzar" wieder zurück in Richtung Wirklichkeit. Keine Percussions mehr, wenig Instrumenteinsatz – nur noch "Landschaft", Laufte von Wölfen und die Reste von Flüsterlauten. "Mykraverk" hat mich vollkommen in seinen Bann gezogen – selten konnte mich ritueller Ambient so sehr mitreißen, selten konnte ich mich einer solchen monotonen Hypnose so intensiv hingeben. Hier stimmt einfach alles – das Album ist stringent aufgebaut und alle Stücke erzählen im Ganzen eine Geschichte. Auch der Sound tut sein Bestes, um die größtmögliche Sogwirkung zu erzeugen. Die Instrumente wirken sehr natürlich, die Verzerrungen und Bearbeitung (Sprachfetzen, Klagelaute,...) sorgen weniger für einen Eindruck von Künstlichkeit sondern lassen das Album noch alptraumhafter erscheinen. Und gerade die eigentlich sehr monotonen Trommeln verdienen besondere Anerkennung – setzen viele Musiker auf stumpfe Reproduktion am Rechner (copy & paste), so hat man bei Draugurinn den Eindruck, dass alles von der ersten bis zur letzten Minute live aufgenommen wurde. Mal knapp neben dem Takt, mal etwas lauter oder leiser – gerade diese Authentizität (auch in der achten Minute eines Liedes) sorgt für ein Gefühl von Echtheit. Hier trommelt sich ein Volk in Ekstase. Ein großartiges Album und endlich mal wieder ein Grund, die volle Punktzahl zu zücken!