Dismantled alias Gary Zon war einige Zeit der Geheimtipp im Bereich des düsteren, aggressiven Electros. Erst nach Lobeshymnen der Szene-Presse über das selbstbetitelte Debüt-Album (aus dem Jahr 2002) wurde der eigenständige, intelligente Sound nach und nach von den Hörern mit großer Begeisterung aufgenommen und war anschließend aus vielen Playlists der Clubs nicht mehr wegzudenken. Vor allem der Bonus Track "On Your Knees" auf der ersten Single-Auskopplung „Dystopia“ weiß als ausdrucksstarke, sehr persönliche Form der Verarbeitung der denkwürdigen Ereignisse vom 11. September 2001 in New York zu überzeugen. Im November letzten Jahres erschien nach verhältnismäßig langer Zeit Stille dann die Single „Exit“, ein vielversprechender Vorbote zum aktuellen Album „PostNuclear“, das seit wenigen Tagen in den Plattenregalen zu finden ist. Nach so viel Erfolg in der Vergangenheit sind die Ansprüche an das zweite Fulltime-Werk des Amerikaners entsprechend hoch – Erfüllung garantiert. Dismantled, zu deutsch „zerlegt“, „niedergerissen“, „unbrauchbar gemacht“ oder „demontiert“, ist das Synonym für komplexe, innovative und mit hohem Überraschungseffekt konzipierte Songstrukturen, die meist erst recht sperrig wirken, sich aber mit zunehmendem Hören schnell in die Gehörgänge schrauben und dort fest verankert bleiben. Vergeblich sucht man bei Dismantled monotone, sich lediglich durch Schnelligkeit auszeichnende Beats und klassisch-einfache Melodielinien. Vielmehr entsprechen die Arrangements einem flexibel besetzbaren Netzwerk von immer mehr und dichter werdenden Einzelelementen, die eine symbiotische Beziehung miteinander eingehen und deren Resultat weit mehr als die Summe ihrer Teile ist. Leise und unscheinbar beginnend baut sich auch auf „PostNuclear“ ein Gemisch an Drums, Samples, Synthiesequenzen und Gary Zons extrem wandlungsfähiger Stimme auf. Deren Schwankungsbreite bewegt sich zwischen harter, kalter Vocoder-Voice, extremem Kreischen, wie man es meist nur vom Black Metal her gewohnt ist bis hin zum atmosphärisch-weichen klaren Vocals. Bisher für Dismantled eher untypische Elemente wie Piano-Lines und balladeske Kompositionen fügen sich wunderbar ist das postnukleare Schreckensszenario, das Zon mit einem bemerkenswerten Reichtum an sprachlicher Ausdruckskraft zu umschreiben weiß – eines, das keinem Lebewesen auf dieser Welt zu wünschen ist, einer beängstigenden Glaubhaftigkeit und Erwartbarkeit jedoch nicht entbehrt. „PostNuclear“ entfesselt eine unglaubliche Brachialität, die auch ohne pure musikalische Gewaltexzesse funktioniert. Zahlreiche Tempiwechsel lassen den Hörer keine Sekunde ruhen, man wartet gespannt, wie sich der Song weiterentwickeln wird. Kehrt nun Ruhe ein, folgt ein Wutausbruch? – „PostNuclear“ lässt keine Gelegenheit zur Vorhersagbarkeit, doch viel Spielraum für Interpretation und Identifikation. Gary Zon kehrt sein Innerstes nach außen, lässt den Gefühlen freien Lauf, spielt mit akustischen Mitteln und reizt ihr Potenzial bis zum äußersten aus. Während sich etwa der Opener „Armed and Ready“ noch zu Beginn unglaublich aggressiv und hart präsentiert, kehrt nach und nach ein beklemmendes Gefühl der Ruhe ein, die vor allem den ausgesprochen schöne Piano-Parts zuzusprechen sind, unterlegt von atmosphärischen Synth-Flächen. „Backwards“, das auf der „Exit“-Maxi als Demo-Version zu finden ist, präsentiert sich ebenfalls mit extremen Vocals sowie sehr schnellem, fast militärisch-diktatorischem Rhythmus und entwickelt dabei eine gewaltige Kraft. Ein wunderschönes, hervorzuhebendes Stück ist auch „Cornered“, das eine mystische Ruhe ausstrahlt, die Möglichkeit durchzuatmen bietet und beim balladesken Piano-Abschluss wehmütige Gedanken aufkommen lässt – ein perfekter, fließender Übergang zu „Exit“, wie es ein guter DJ nicht besser hätte hinbekommen können. Eine zweifellos gute Wahl, diesen Song als Single vorab auszukoppeln. Denkbar wäre allerdings auch das wunderschöne, ebenfalls Piano-lastige „The Last Excuse“ gewesen, ein kraftvoller, hypnotisierender Track. Von den Dismantled-typischen Verzerrer-Stimmen ist nichts mehr zu hören, nur die sanfte, traurige und klare Stimme von Zon, die manchmal in der Atmosphäre zu verglühen scheint, um jedes Mal aufs Neue ans bereits schwärzlich-grau gewordene Tageslicht einer untergehenden Welt hervorzustoßen – wiederauferstehend aus den „Coma-swept ruins“. Ein musikalischer Trip durch die persönliche Hölle, der keine Klischees bedient und einem Gnadengesuch keine Chance lässt. Wahrlich beängstigend!