D’espairsRay zählen nicht ohne Grund zu den Großen des Visual-Kei-Style. Bereits seit 1999 spielen sich die Japaner, damals noch stark auf perfekt durchgestyltes Outfit und Make-up konzentriert, unermüdlich in zahlreichen Herzen ihrer inländischen und internationalen Fans. Ihr schneller, kraftvoller, hochmelodischer und von jeder Menge Melancholie geprägter Gitarren-Rocksound, der streckenweise, vor allem aufgrund der Vocals, wie astreiner Nordic Black Metal klingt, schallt wie ein Kraftelixier aus den Boxen, das direkt durchs Ohr in Mark und Bein übergeht. Sicher schwingt auch bei D’espairsRay, wie bei so vielen anderen Genre-Kollegen, jede Menge Pathos mit, der vor allem über die Stimme des Sängers und natürlich die „fremde“ Sprache transportiert wird (wenn er „klar“ singt), doch das setzt dem ohnehin schon opulenten Bombast-Sound noch das i-Tüpfelchen auf. Die wilde Mischung aus Vocals, die einen mal sanft und weich umgarnen, mal aber auch mit martialischem Gekreische in den tiefschwarzen bösen Abyss führen und erstklassigem, wuchtigem Rocksound mit atmosphärischen Synthie-Elementen vermag durchaus zu verstören. Am Ende jedes Titels bleibt jedoch immer eines: großes Staunen. Wenn man einmal davon absieht, dass man sich mit dem Gesang wirklich anfreunden muss (man mag es oder man kann es einfach nicht hören – beim J-Rock gibt es einfach kein „Dazwischen“), muss den vier Musikern von D’espairsRay echtes Beherrschen ihres musikalischen Handwerks zugesprochen werden. Nicht umsonst haben sie sich inzwischen an die Speerspitze des inzwischen sehr gewachsenen Musikgenres gespielt. Mit „Immortal“ veröffentlichen die Japaner nun, inzwischen optisch „ziviler“ geworden, ihr Greatest Hits-Album, dem neben einer 15 Tracks umfassenden CD eine DVD beigelegt ist, die rund 30 Minuten Live-Material von einem 2007er-Konzert der Band im heimatlichen Yokohama featured. Die CD ist ein einziges Sound-Feuerwerk, das sich teufelsgleich mit einer immensen Kraft in den Himmel katapultiert. Außerhalb des J-Rock-Style gibt es wohl keine Band, deren Sound mit dem von D’espairsRay zu vergleichen wäre. Hier wird mit so vielen Styles, so vielen Sounds und Stimmungen gearbeitet, dass man eigentlich kaum glauben kann, dass so etwas funktioniert. Doch es kann und es tut. „Immortal“ ist bestens dazu geeignet, um die schwächelnden Geistesbatterien wieder aufzuladen oder überschüssige Energie loszuwerden. Für alle Fans und Interessierten, die schon immer ein mal wissen wollten, wie die braven japanischen Jugendlichen feiern können, wenn sie etwas wirklich gut finden, ist die Bonus-Live-DVD ein echter Segen. Hier spielt wahrlich keine kleine Band in einer verratzten Hinterhof-Bude. Hier spielt eine weltweit geliebte und vergötterte Band in einer stattlichen Location vor richtig vielen Leuten – richtig laut, mit richtig fetten Licht-Effekten und Visuals. Die optisch und akustisch absolut amtliche und überzeugende Qualität der Aufnahme lässt einen schon nach dem zweiten Titel verstehen, weshalb D’espairsRay so viel Aufmerksamkeit zuteil wird. Da ist es wieder, das große Staunen: vier zierliche, mädchenhafte Japaner und ein solch brachialer Sound – das geht zusammen, und wie! „Immortal“ ist ein rundum gelungenes Geschenk an alle Fans und eine gute Möglichkeit, bisher neugierige, aber noch unschlüssige Hörer „einzufangen“. Jedoch sei allen, die irgendwann tiefer in die Welt des J-Rocks einsteigen wollen, ans Herz gelegt, sich im Laufe der Zeit etwas mit der japanischen Sprache zu beschäftigen. Denn sonst kann man nicht mal das Booklet lesen – auch das von „Immortal“ nicht … bis auf ein paar Sätze.