Hinaus auf die Desolations Plains, hinein in finstere Gemäuer – sei ein Barbar, schwing das ‚Sword of hailstone‘ und erlebe Nostalgie pur. So könnte meine Kritik nicht nur beginnen, sondern eigentlich auch schon wieder enden – aber weil es sich geziemt, etwas mehr auf die Inhalte einzugehen, möchte ich dies gerne tun:

Dungeon Synth ist für mich in dieser unsteten Zeit mit vielen unerfreulichen Nachrichten, politischen Wirrungen und einer Stimmung resignierender Genervtheit ein kleiner Schutzraum. Musik, die mich in meine Kindheit führt, als mein Denken bestimmt war von Rollenspielen auf Papier, mit Plastikfiguren oder auf Spielekarten und ganz besonders an alten Computern und Konsolen. Die Abenteuer waren reichhaltig, die Geschichten nicht zu anspruchsvoll und die Regeln und Möglichkeiten im Gegensatz zum Leben / zum Alltag klar und strukturiert. Und diese seit einigen Jahren mit einer eigenen Bezeichnung als Sub(Sub)Genre musikalische Welt führt Kenner und/oder Nerds zurück an solche pixeligen Orte und immer, wenn ich in dem Pfuhl unendlicher und oft gleich und belanglos klingender Werke mal ein etwas bemerkenswerteres Album finde, so möchte ich ihm Zeilen gönnen. Und Desolation Plains Debüt ist ein solches:

Es gibt in meinen Ohren vor allem zwei Hauptrichtungen im Dungeon Synth: Diejenigen Alben, die mit minimalsten Spureinsatz die großen Vorbilder Mortiis und Depressive Silence versuchen nachzueifern und diejenigen, die etwas mehr in Richtung alter Spielesoundtracks tendieren, etwas mehr Fülle, eventuell gar Drums einsetzen um so eher in „fantastischere“ Gefilde aufzubrechen (wie zum Beispiel Old Sorcery oder Murgrind). Wozu ‚Sword of hailstorm‘ wohl gehören mag, ist sogar vor dem ersten Probelauschen nicht schwer zu erraten, wenn man liest, dass die Veröffentlichung kombiniert ist mit einem klassischen Rollenspiel für Android oder iOS. Da ich seit 2 Jahren krankheitsbedingt keine Spiele mehr anrühre und man nicht zu viele Informationen im Netz findet, kann ich nicht viel zu den Inhalten und der Qualität sagen, es sieht aber nach einem rundenbasierten 8-Bit Dungeon Crawler aus. In einem Kommentar las ich den Hinweis, dass die App anscheinend ohne Musik und Soundeffekte auskommt. Das wäre in meinen Ohren eine seltsame Entscheidung, kann man doch zumindest Musik ohne Probleme loopen und Nikolas Wolf, Kopf von Desolation Plains und zum Beispiel auch dem Synthwave Projekt Farcaster, hätte doch haufenweise gute Musik im Gepäck… Sei es drum. Ich habe mir nur die Musik gekauft und das, weil sie auch ohne App und Schnickes klassisch aber gut ist. 40 Minuten zauberhafte Musik, die eher nach melancholischen Reisen durch verlassene Landschaften, verwaiste Ortschaften oder magisch wirkende Höhlensysteme klingt als nach großen Schlachten und opulenter Dramatik. Ganz ohne Ausfälle und nie in die Länge gezogen kann jeder einzelne Track überzeugen, insbesondere das nach dem Inneren einer Magieschule klingende „Over red river, under wood sanctuary“ und das traurige „Pierce the flesh of my oppressor“, das den Moment untermalen könnte, in dem das Böse zum ersten Mal verwundbar erscheint, der Held aber noch nicht sicher ist, wie ihn dieses Wissen zum Sieg führen soll. Ein nicht sehr relevantes aber schönes Schmankerl ist, dass die Titel zusammengelesen ein kleines Gedicht ergeben – auf solch kleine (ich möchte sagen) Easter Eggs stößt man doch gerne. Es gibt aber auch Dinge, die verhindern, dass ich bei Desolation Plains nicht so euphorisch klinge wie zum Beispiel bei Castle Zagyx, Fvrfvr, Ithildin oder gerade erst Oublieth: Nein, das Album ist nicht schlechter, es ist nur sehr klassisch und hat damit in meinen Ohren weniger Würze als genannte Vertreter des Genres. Es ist wie in anderen Genres: Manche reproduzieren den Genrestandart richtig gut und verdienen deswegen Lob und Anerkennung, aber wirklich hängenbleiben werden bei mir immer diejenigen Projekte, die ihre eigene Marke etablieren können. Desweiteren sind Coverartwork, Bandlogo und Font des Albumtitels wirklich nicht gut gestaltet. Ja, vielleicht nicht so relevant für die Musik, aber allein dieses Cover hätte fast verhindert, dass ich überhaupt reinhöre.

Ich las davon, dass Spieler mithilfe des Spiels bereits die Berechtigung für das Folgealbum ‚False Prophecies‘ freispielen können – ein nettes Gimmick, dass ich aus genanntem Grund nicht nutzen können werde. Wohl aber ist Desolation Plains bei mir vermerkt als Projekt, deren Folgeveröffentlichungen gesichtet werden. Wer das Genre noch nicht so wirklich kennt, aber früher klassische DOS-Rollenspiele am PC, liebte, der hat mit vorliegendem Werk einen guten Vertreter gefunden, um diese pixelige, nerdige, monotone und sicherlich nicht unendlich anspruchsvolle musikalische Welt zu erobern, die trotz aller Genregrenzen so viel Zauber und so viel Freude bringen kann. Wenn man bereits in diese Welten abgetaucht ist, sollte man zumindest hereinhören, um zu entscheiden, ob man ein weiteres, aber sehr gutes klassisches Album braucht – ich habe mich für ein „Ja“ entschieden und bereue meine Entscheidung nicht.

 

Desolation Plains

Sword of hailstone

 

07.05.2021

 

https://desolationplains.bandcamp.com/album/sword-of-hailstone

 

01. A journey long, a path untrodden
02. A heroes step, long forgotten
03. Traverse thick fog of the golden prairie
04. Over red river, under wood sanctuary
05. A solemn prayer as the ascent is made
06. O’ faceless angel guide my blade
07. Pierce the flesh of my oppressor
08. To which i avenge my lifeless lover