Ja, wir haben schon eine Sounds Of The Universe Rezension auf dem Medienkonverter, aber dieses Boxset muss als gesonderte Veröffentlichung betrachtet werden. Zum einen aufgrund der Quantität des Materials zum anderen aber, weil eine solche Box zur Veröffentlichung eines regulären Albums seinesgleichen sucht. Natürlich sind 65 Euro kein Schnäppchen, aber die Fülle und die Aufbereitung des Materials sind legendär und für jeden Fan die eine oder andere Träne wert. Natürlich tröstet das nicht über die initiale Enttäuschung des regulären Albums hinweg, denn da muss ich meinem Kollegen Gallo vollkommen Recht geben, da wäre mehr drin gewesen. 

Von der Substanz her gar nicht so übel haben hier wohl die Herren Hillier und Miller (so sehr ich letzteren für ‚Warm Leatherette’ liebe) einiges durch ihre Produktion nicht unbedingt besser gemacht. Mich erinnert die Grundstimmung stark an Ultra, allerdings fehlt die Wärme von ‚Love Thieves’ und ‚Sister of Night’ genauso wie die Kraft von ‚Useless’. Auch begrüße ich den Einsatz der alten Synthesizer und Drum Machines die Martin mit einer regelrechten Sucht auf eBay eingesammelt hat, das heißt aber nicht, dass wir Depeche Mode nun als Kraut-Elektroband wünschen. Schwammig verzerrt wie in ‚Hole to Feed’ oder ‚In Sympathy’ ist das einfach zu viel des Guten! Gerne gebe ich allerdings zu, dass ich mir das Gesamtwerk inzwischen an vielen Stellen schöngehört habe und die anfängliche umfängliche Enttäuschung einer Akzeptanz des Abgelieferten gewichen ist. Denn gerade das erwähnte ‚In Sympathy’ oder ‚Little Soul’ hätten mit Gareth Jones oder dem immer wieder herbeizitierten Alan Wilder bestimmt ihr Potenzial besser entfalten können. 

Aber kommen wir zu dem, was die Box sonst so zu bieten hat! Zunächst ein paar Worte zur Aufmachung: bei DSDS hieße das wohl ‚Hammer!Hammer!Hammer!’ Qualitativ hochwertig verarbeitet mit einem Hardcover-Book(let) im LP-Format, in dem neben Bildern von Corbijn, die endlich wieder des Fotografen würdig sind, die Texte des Albums und der Bonustracks großformatig abgedruckt sind. Das ganze gebunden in einem grauen, weitaus besser designten Cover, das die bunten Mikadostäbchen der Single-CD ins Off verweist. Im Querformat etwas halb so groß das zweite Hardcover-Book mit Studio-Einblicken ist für mich informativ allerdings vom künstlerischen Anspruch bedingt interessant. Dass der übliche Schnick-Schnack in Form von Postkarten, Badges und Poster nicht fehlen darf ist eh klar, passt aber zu dieser Auflage. Das eigentlich spannende sind natürlich die beiden Bonus CDs und die DVD mit erweitertem Inhalt im Vergleich zur CD/DVD Edition. Zunächst die Outtakes des Albums CD2. Bereits nach dem ersten Durchhören packt mich Unverständnis. Nimmt man das Instrumental ‚Esque’ heraus, haben die vier Bonus Tracks mehr Potenzial als alles was es neben ‚Wrong’ auf das Original-Album geschafft hat. Mehr Elektronik, interessantere Songstrukturen und bessere Produktion überraschen positiv! ‚Light’ eröffnet verträumt melancholisch als Midtempo-Perle mit Vocoder-Einsatz den Reigen. Martin steuert gesanglich die eigentliche Ballade der neuen Schaffensperiode mit ‚The Sun and the Moon and the Stars’ bei. Sperrig mit leichtfüßig versöhnenden Passagen geht der Song richtig ans Herz! ‚Ghost’ ist nicht weniger gelungen und präsentiert einen leicht verrückt klingenden Gahan über kraftwerkgetränkten Synthesizern. Soundtrack-Stoff für das nächste ‚Psycho’-Remake! Vollkommene Irritation packt mich bei ‚Oh Well’, denn hier wird ganz großes Kino geboten. Ein Song, der sogar ‚Wrong’ in den Schatten stellt und energiegeladen mit Staccatos aus dem Sequencer Martin und Dave im Duet die geeignete Plattform bietet, zu zeigen, dass Depeche Mode doch noch nicht in die Riege der alten Männer wie U2 oder REM einzuordnen sind. 

Die Remixes sind wie immer Geschmackssache. Positiv zu bewerten ist, dass man diesmal keine Ausfälle im Sinne von Aphex Twinschen Interpretationen findet, die mit dem Original soviel zu tun haben wie McDonalds mit Gourmet-Food! ‚Corrupt’ wird zum Tribal-inspirierten Minimal-Track und Minilogue steckt ‚In Chains’ ins House-Gewand. ‚Little Soul’ durch Thomas Fehlmann reinterpretieren zu lassen war ein geschickter Schachzug: ambient relaxed wie man es von unserem Berliner Vorzeige-Remixer erwartet gefällt mir diese Version genauso wie auch der Remix des anderen Gore-Songs ‚Jezebel’ besser als das Original. Kantiger als die ursprünglichen Versionen hingegen werden ‚Wrong’ und ‚Perfect’ dargeboten, letzteres minimal heruntergestrippt ohne die triefende Gitarre des Originals im Refrain. Mir hat’s gefallen. Besser als all die nichtssagenden Club-Mixes zu den Singles der letzten Alben. Vierzehn Demos auf CD3 lassen den Puls des geneigten Followers der Band zum Trommelwirbel anschwellen. Musste man doch in der Vergangenheit viele Sonntagmorgen auf Plattenbörsen in schimmeligen Stadthallen verbringen um eine solche Zusammenstellung zu compilieren, liefern die Jungs uns dies nun als Zuckerl frei Haus. Großartig! Die CD ist natürlich in großen Teilen Martins CD geworden, denn schließlich ist er nach wie vor DER Komponist bei Depeche Mode. Mit ‚Clean’, ‚Sweetest Perfection’, ‚Judas’ und vor allem ‚Surrender’ ist die Songauswahl der Vor-SotU-Songs auch voll nach meinem Geschmack. 'Judas' überrascht mit Brass-Passagen und 'Only when I lose myself' war ursprünglich sehr viel loungiger angelegt. Die fünf Demos des aktuellen Albums zeigen dann schön auf, wohin die Reise mit einem anderen Produzenten hätte gehen können. Weniger überladen und fokussierter sind mir eigentlich alle fünf Tracks lieber als die korrespondierenden Endprodukte und ‚Peace’ ist dann doch eigentlich doch eher ein Song für Martin! ‚Jezebel’ klingt auf einmal traumhaft harmonisch und weniger nach Counterfeit-Überbleibsel und auch die übertriebenen Gitarren-Akzente und Störgeräusche aus ‚In Chains’ sind verschwunden. Zu den 5:1 Abmischungen des Albums und der Bonustracks kann ich leider aufgrund fehlender Technik wenig sagen, die DVD hat dann jedoch eine Menge mehr zu bieten. Ähnlich wie man es von Daves Solo-Ausflügen und ‚Playing the Angel’ kennt sind vier Studie-Versionen enthalten, von denen vor allem ‚Stories of Old’ überrascht. Vielleicht in der Tonlage etwas zu tief für Dave entgleitet das Stück dann zwar gesanglich ein wenig in die Elvis-Schiene, das tut aber nicht richtig weh. Die neue Version mit Gitarre und pointierten Synthies an sich ist aber klar ein Fest für jeden Mode-Fan. Die dokumentarisch angehauchten Beiträge mit knapp zwei Stunden Laufzeit bieten einen Insight in das Schaffen der Band wie er vom Umfang her vorher noch nie veröffentlicht wurde. Und natürlich fehlt auch das kontrovers diskutierte Video zu ‚Wrong’ nicht. 

Lieber Dave, lieber Martin wer hat Euch da nur bei der Songauswahl beraten? Ganz ehrlich: sucht Euch neue Vertraute für den nächsten Streich! Und gleich dazu einen neuen Produzenten! Denn eigentlich sind die Songs gar nicht so schlecht. Und so versöhnt die Box dann doch obwohl sie über die Defizite des Albums natürlich nicht hinweghelfen kann. Zur Bewertung: Preis-Leistungsverhältnis: 5 Sterne Aufmachung der Box und Inhalt: 6 Sterne Original Album: 3 Sterne Bonus-Material: 5 Sterne Macht Summa Summarum, wenn man das original Album (als zentrale Einheit) doppelt wertet zumindest mal 4 1/2 Sterne.