Chris Peterson – dieser Name ist untrennbar mit den Namen Frontline Assembly und Delerium verbunden. Während Peterson zusammen mit Rhys Fulber und Michael Balch unter dem Namen Will auch außerordentlich bombastische Töne des elektronischen Gothic/Dark Wave anschlug, begibt er sich mit seinem weiteren Nebenprojekt Decree in ungeahnte Tiefen des doomigen Gitarren-Industrial. Bereits im Jahr 1997 ist dessen Debüt „Wake Of Devastation“ erschienen, für das Peterson zahlreiche namhafte Gastmusiker verpflichten konnte (u.a. Cevin Key und Dwayne Goettel von Skinny Puppy). Aufgrund seiner zahlreichen musikalischen Verpflichtungen dauerte es fast 7 Jahre, bis neues Material fertig- und zusammengestellt war. Anfang diesen Monats erschien schließlich „Moment Of Silence“. Man sollte sich von diesem klangvollen Titel allerdings auf keinen Fall täuschen lassen, denn ruhige Töne sind auf diesem Album nur sehr wenige zu finden. Beim ersten Durchhören der Platte werden Erinnerung an die alten Tage von Godflesh (z.B. auf „Merciless“) oder den kanadischen Größen VoiVod („Catalepsy“) wach. Denn auch hier rumpelte und donnerte es gewaltig, alles mit einem gehörigen Schuss langsamer, sägender E-Gitarren versetzt. Diese musikalische Ausdrucksform wird vor allem in den Staaten gerne als Industrial betitelt, während jener Begriff in unseren Breitengraten im Grunde doch ein recht anders klingendes Musik-Genre kennzeichnet. Nichts desto trotz: Decree machen auf „Moment Of Silence“ klar, dass “Schluss mit lustig” ist. Schwer schleppen sich Wälle von heftigen Metal-Gitarren, tiefem Bass und polterndes Schlagwerk durch die bedrohlich düstere Szenerie, in der Hoffnung und Frohsinn längst keinen Platz mehr haben („Shallow Breath“). Hier dominieren nicht die Synths-Melodien, effektvoll sind in erster Linie das komplex und äußerst überlegt arrangierte Drumming und die zahlreichen Hall-Effekte, welche die Atmosphäre bis ins Extremum verdichten. Die schmervoll verzerrten Schreie von Sean Lawson (der Nachfolger des Vokalisten John McRae) künden von Gewalt, Zerstörung, Schmerz und Tod. Endzeitstimmung in seiner puresten Form und dabei völlig klischeefrei, sondern ungeschminkt und direkt. Hier erwachen Bilder zum Leben, in denen die Sonne vom Schmutz der letzten Tage verdunkelt ist, Ruinen und grenzenlose Leere die Szenerie bestimmen und wo die Uhren inzwischen stehen geblieben sind. Musik, wie sie auch bereits Memorandum und Aghast sehr ausdrucksvoll zu vertonen wussten. Nur ein Donnergrollen ist aus der Ferne zu hören. Und genau dieses Donnergrollen ist „Moment Of Silence“. Tracks wie „Violent Reckoning“, „Scorched Earth“ oder „Fire Of Judgment“ sind der Soundtrack zum Armageddon, das langsam, aber ausgesprochen schmerzvoll kommen wird. „Moment Of Silence“ lebt von einer extremen Intensität und grenzenlosen Aggressivität. „Forced Wide Open“ klingt nach einer Salve von Maschinengewehren, das fast tribal-ähnliche Drumming verstärkt die Bedrohlichkeit noch mehr – Musik für den ultimativen Angriff, den Befehl zum Töten. „A Secret Thread“ hingegen schlägt in der Tat leise, gebetsartige, beschwörend-rituelle Töne an – Cold Meat Industry lassen grüßen. “Used Dreams” schließlich prophezeit das Herannahen eines neuen Holocaust. Auch hier dominiert das ruhige Moment, durchsetzt mit plötzlichen Wutanfallen ungekannten Ausmaßes. Sämtliche Lyrics auf „Moment Of Silence“ umweht der Hauch der Vernichtung, sie sind finster wie die Nacht und endgültig wie der Tod. Chris Peterson, Ross Redhead und Sean Lawson öffnen den Zugang zu den tiefsten Abgründen menschlichen Seins, den Tiefen der eigenen Hölle. Labile Menschen sollten sich dieser sehr geschmackvoll (im Pappfolder mit mehrseitigem Booklet – der Graphik-Designer hat ganze Arbeit geleistet!) aufgemachten Veröffentlichung nach Möglichkeit entziehen. Beeindruckend!