Die Geschichte des Black Metal ist eine Geschichte voller ... naja, junger Leute, die die Extreme aus unterschiedlichsten Gründen suchten und zum Teil ihr Heil in dieser düsteren Nische harten Metals fanden. Damit sind sie natürlich nicht alleine - Abgrenzung und Aufbegehr gegen [Eltern, Gesellschaft, politisches System, Religion, kurz andere] liegt in der Natur der Sache einer solchen Gemeinschaft, die sich zunächst aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen speist. Man denke an das verständnislose Kopfschütteln, dass die Beatles damals bei der Elterngeneration hervorriefen, die bewusstseinserweiterten Hippies, aggressive Punks, brutale Rocker, noch schlimmer dann der Heavy Metal, Hardcore, Noise, Industrial, Hip Hop, Techno..... Allen diesen Stilen gemein ist, dass es immer Bands gab, die gewisse Elemente auf die Spitze treiben wollten, ein bischen mehr wagten. Und allen diese Nischenrichtungen ist gemein, dass sie sich weiterentwickelten, dass kreative Prozesse stattfanden und man auch als Nicht-Hörer irgendeines dieser Genres mit etwas Abstand und ohne Tellerrandblick anerkennen muss, dass jeder Stil wohl etwas kann, in jedem kreative Prozesse stattfinden und damit jede Nische auch nicht wirklich anders ist, als die nächste. Warum ich so aushole? Nun, ich wunderte mich, als ich bei der Lektüre vorliegenden Werkes auf der ersten Seite folgende Zeilen zum Thema Black Metal fand: "eine Musikrichtung, die [..] zum Nachdenken anregt [... sich] über seine eigenen faszinierenden Kontroversen [hinwegsetzt ..] und eine der wichtigsten Gattungen moderner Musik [ist]". Und mir kam die Frage in den Sinn: würde dass nicht ein jeder Fan einer eben solchen Nische über seinen Stil sagen? Und so beginnt eine vielleicht etwas ausufernde Kritik an "Black Metal: Evolution Of The Cult", einem Buch, dass oberflächlich betrachtet vielleicht in Ordnung geht, bei genauerer Betrachtung aber maßlos enttäuscht. Ich bin Black Metal Fan, bin überzeugter Freund des musikalischen Inhaltes und fand natürlich aufgrund der Extreme als junger Spund in diese Nische. Die diffusen Bilder schwarz-weiß bemalter Krieger, die Bäume anschreien und dabei gegen das Christentum und die Gesellschaft an sich wetterten - ja, das wirkte anziehend auf mich. Warum? Aus ähnlichen Gründen, wie bei den meisten - denn das eint ja Jugend an der Grenze zum Erwachsensein: man sucht seinen Platz in der Gesellschaft und manch einer sucht am extrem erscheinenden Rand. Dayal Patterson erging es wohl ähnlich, denn nicht nur schrieb er langjährig über "seine" Musik in unterschiedlichen Magazinen, er veröffentlichte im letzten Jahr auch vorliegendes Werk, das nun in übersetzter Form zu mir fand. Und was soll ich sagen: enthusiastisch ging ich heran, wollte vielleicht Neues erfahren, auf mir unbekannte Projekte treffen, die Fakten gut aufgelistet nachlesen und vielleicht sogar eine neue Perspektive kennenlernen. Denn natürlich hatte ich mich mit "meiner" Lieblingsmusikrichtung auch eingehender beschäftigt und stehe weniger der Musik als mehr vielen anderen Aspekten der Szene mehr als kritisch gegenüber: Die Akzeptanz rechten Gedankengutes (und die Relativierung der eigenen Anteile daran) zum Beispiel. Oder die Straftaten bis hin zu Morden, die entweder durch satanistische oder "so brutal ist die Welt eben" Statements pressegerecht gerechtfertigt wurden und sich nach Sichtung diverser Gerüchte nicht unbedingt als das entpuppten, als was sie dargestellt wurden (aber besoffen etwas anzünden und im Streit über Geld/Frauen/Weltliches angreifen klingt viel zu profan). Doch statt eines neutralen Bandkompendiums oder einer sachlichen Zusammenführung der Fakten, Berichte und Aussagen (mit oder ohne deutlicher Kommentierung) bekomme ich ein klar subjektiv gefärbtes Szenewerk eines Fans, der zwar in den Jahren viele Interviews führte, aber in seinem Buch so viele Fragen offen lässt, so viel Raum für Kritik bietet und dazu auch nicht besonders spannend schreibt. Nicht, dass ich mich da über ihn stellen will, doch werde ich weiß Gott auch nicht eine solche Aufgabe in Angriff nehmen. Es fängt bei kleinen Ärgernissen an wie die mantraartige Aufzählung der immergleichen Bands. Kiss, Black Sabbath, Motörhead als Einstiegsdrogen, Venom, King Diamond, Bathory, Hellhammer als Urquell, Mayhem, Dark Throne und Burzum in der Hauptphase - so, haben wir gelesen, haben wir verstanden. Diese Bands habe viel für den Black Metal, so wie er heute ist, gemacht. Und in Interviews werden die Musiker, nach ihrer Inspirationsquelle gefragt, ebenjene nennen. Immer wieder. Sind ja die großen Namen. Ist eben so. Doch bei nahezu jeder Band zu lesen, dass sie VenomBathoryBlaBlaBla gehört haben ist kaum spannend und man wünscht sich bald schon, dass Patterson nur darauf hinweist, wenn mal jemand eine andere Inspirationsquelle nennt (z.B. Kraftwerk im ersten Kapitel von Mayhem). Auch das fast uneingeschränkte Annehmen der satanischen Glaubensbekenntnisse einer jeden Band ist in der Wiederholung kaum erhellend, zumal die immergleichen Quellen (vor allem LaVey, hört hört) genannt werden. Bis auf Ausnahmen beschränken sich die Glaubensbekenntnisse auf Grundwissen-basierende Schandtaten provokanter Natur und sind damit meist schnell als werbeträchtiges Handeln Adoleszenter abzutun. Ist ja nicht schlimm, verkauft sich ja besser mit Kreuzen, Nieten und Pentagrammen als mit kleinen, niedlichen Rehen oder so, aber es ist häufigst jugendliche Aufgesetztheit. Warum also nicht wenigstens ein Kapitel, dass sich damit befasst oder zumindest eine Anmerkung im ersten Teil.. Es geht weiter damit, dass Patterson zwar um Sachlichkeit und Struktur bemüht ist, es ihm aber nicht nur in der Einleitung nicht gelingt. Meist sind die Kapitel nach der Band benannt, die im Folgenden beschrieben wird, doch dann gibt es wieder Kapitel, die auf die Geschichte eingehen, Szeneableger zusammenfassen oder auf z.B. die Diskussion um rechtslastige Musiker und Bands, was etwas zerfasert und inkonsequent wirkt. Entweder hätte Patterson diese Elemente den Bands zuordnen können (Mayhem zu Norwegen und der zweiten Welle, Burzum oder Graveland zum NSBM) oder eben doch nicht den Anschein erwecken sollen, es handle sich um ein Kompendium wichtiger oder nennenswerter Bands. Auch die Sache mit dem rechten Gedankengut, die ganz klar ein großes Problem der Szene für den Black Metal darstellt (wie mir immer wieder auffällt, wenn ich auf Konzerten weile und straff erhobene Arme im Publikum sehe oder die Gespräche an der Biertheke mitbekomme), ist mir nicht konsequent genug beschrieben: Die vor allem in Osteuropa aktive rechte Szene wird zwar gegen Ende in einem eigenen Kapitel besprochen und der Autor distanziert sich auch von rechtem Gedankengut, doch fehlen mir interessante Kollaborationen zwischen Musikern, die Aussagen wie "wir sind unpolitisch" mit einem faden Beigeschmack versehen (z.B. wird auf die Hate Forest Wurzeln von Drudkh hingewiesen und die Zusammenarbeit von Drudkh und Alcest in Form von Old SIlver Key erwähnt, wo aber ist dann die Frage, was das wohl für Neige/Alcest bedeutet: Ist er unwissend? Ist es ihm egal? Nimmt er es billigend in Kauf? Steht er hinter Drudkh und ihren Ansichten?). Solche Verweise finden sich bei vielen Bands und es wäre in meinen Augen sinnhafter gewesen, diese durchaus wichtigen Verweise bei den Bands selbst direkt anzusprechen als sie in einem eher kurzen und dadurch unvollständigen Kapitel zusammenzufassen. Und ich gebe mich an dieser stelle auch nicht zufrieden, dass der Autor darauf hinweist, dass die meisten Musiker und Hörer der Szene nicht rechts sind, aber das Gedankengut und die verwendete Symbolik, die auf Konzerten, Interviews und auf Tonträgern zu finden sind eben hinnehmen. Oder wie war das, als damals das Buch "Lords of Chaos" vom deutlich der rechten Szene zuzuordneten Moynihan verfasst wurde (interessanterweise in Deutschland beim selben Verlag wie vorliegendes Werk veröffentlicht)? Natürlich ist es immer schwer, bei einer Beleuchtung einer Szene allen gerecht zu werden, aber da das Werk den Anschein erweckt, die GESAMTE Szene zu beschreiben, dann dürfen solche z.T. großen Lücken nicht auftauchen. Bei den politischen Aussagen, begangenen Verbrechen und religösen Statements möchte ich es mit einer Beobachtung zusammenfassen: Dem Autor genügt es, dass sich die Musiker kurz und knapp (z.B. Dark Throne) von politischen Aussagen distanzieren und relativieren oder Leuten, die bis heute keinen Hehl daraus machen zuordnen (wie Varg Vikernes), dass sie die Verbrechen eher als Jugendsünden abtun, gleichzeitig hinterfragt Patterson die Aussagen über Satanismus und Menschenfeindlichkeit in den meisten Fällen nicht. Das ist mir etwas zu bequem, das darf man als Fan, nicht aber als Verfasser eines Buches. Und natürlich fallen mir viele Bands ein, die nicht erwähnt wurden obwohl sie mir ganz wichtig sind - geht wohl jedem so und man KANN es nicht schaffen, jedoch vermisse ich die frühen Szenesonderlinge Summoning, die es zu großer Bekanntheit brachten aber durch ihre inhaltliche Konzentration auf den Herrn der Ringe z.T. Morddrohungen aus Norwegen erhielten (wiewohl sich gleichzeitig Burzum u.A. sich Verweise auf ebenjenes Fantasiewerk erlaubten). Nun kommen wir zu zwei weiteren, nicht minderschweren Kritikpunken: Die Aufmachung des Buches und die deutsche Übersetzung. Da ich nicht zuordnen kann, was eher der deutschen Version zuzuordnen ist benenne ich bei der Aufmachung nur einen Störfaktor, der augenscheinlich bereits im Original enthalten war: Die im Mittelteil gedruckten Farbbilder sind z.T. seitlich gekippt, z.T. nur eines von zwei Bildern auf einer Seite (was bereits negativ auffällt), die Bildbeschreibungen sind aber immer richtig-herum. Notwenig wäre ein solches Vorgehen nicht, es wirkt dadurch lieblos zusammengestaucht. Dann lieber die Bilder kleiner abdrucken, zurrechtschneiden oder weglassen, wenn mehr Seiten kostentechnisch nicht möglich sind. Nun aber ein ganz übler Punkt: das deutsche Lektorat hat unfassbar geschlampt! Ich habe selten so viele Fehler in einem professionell veröffentlichten Buch gefunden: Anführungszeichen-Ende ohne einleitende Anführungszeichen, kursiv gedruckte Wörter, die nicht kursiv sein dürften (das "und" bei einer Aufzählung) und Zeichenfehler ohne Ende (die mache ich auch, aber ich habe auch keinen Lektor, der mir auf die Finger haut). Übersetzungsfehler (Bands schreiben ihre "Teste" selber, aha), direkte Übersetzung englischen Satzbaus und schließlich wagt man einen Blick in die Zukunft und zeigt ein Bild der Band Watain aus dem Jahre 3013. Wow. Zum Abschluss wichtig: Vielleicht hat ein solches Buch eine Berechtigung allein durch das Zusammentragen all der Bands, Geschichten und Interviews. Doch bewerte ich nicht den Bedarf an einem Buch, sondern seine sprachliche und inhaltliche Standfestigkeit. Wer die Szene und ihre Geschichte noch nicht kennt, kann wohl zugreifen (auch wenn man alles im Netz ähnlich ausführlich findet) - dann aber beim Lesen nicht alles als gegebene Wahrheit annehmen. Wenn das Lektorat der englischen Version besser gearbeitet hat, kann ich die Originalversion zwar auch nicht wirklich empfehlen, doch vorliegende deutsche Fassung ist nicht nur weit weg von einem guten Sachbuch sondern ein Gesamt-Ärgernis. Vielleicht hatte man bei der Übersetzung und Korrektur erkannt, dass das Buch nicht so prickelnd ist und nachlässig gearbeitet. Doch jeder Käufer, der Geld hierfür ausgibt kann zumindest eine sauber ausgearbeitete Übersetzung erwarten um wenigstens selbst entscheiden zu können, wie man den Inhalt findet. Fazit: Finger weg, auf jeden Fall von der deutschen Fassung. Nein, eigentlich vom Werk ansich.