Es ist irgendwie befremdlich, eine Rezension zu David Bowies neuem Album zu schreiben, nachdem dieser nur zwei Tage nach der Veröffentlichung des Albums, das an seinem 69. Geburtstag veröffentlicht wurde, verstarb. Eine Welle der Fassungslosigkeit und der Lobhudelei ist über die Musikwelt herein gebrochen, Bowie bekam ein eigenes Sternbild sowie einen Feiertag in New York, Kanye West hat ein Tribute-Album angekündigt und mittlerweile gibt es eine Online-Petition, die ihn davon abhalten will… David Bowie gelang mit seinem neuen Album “Blackstar” (★) posthum das, was ihm zu Lebzeiten verwehrt blieb: Platz 1 der Albumcharts in den USA. Das riesige Interesse an “Blackstar” kommt natürlich nicht zuletzt aufgrund des besonderen Umstandes zustande, dass David Bowie quasi mit Erscheinen des Albums für immer verschwand. Aber selbst ohne dieses tragische Ereignis hätte das 27. Album dieses großen Musikers zweifelsohne für einiges Aufsehen gesorgt. Nach der etwas trockenen Rückschau “The Next Day” aus dem Jahre 2013 und der Best-Of-Zusammenstellung “Nothing Has Changed” von 2014 veröffentlichte der Meister der Avantgarde ein von Jazz beeinflusstes Album. Für das Einspielen der Songs griff er nicht auf seine altbewährte Tourband zurück, wie er es bei all seinen letzten Alben getan hatte, sondern auf das Jazz-Quartett des Saxophonisten Donny McCaslin. Den Anfang macht das knapp 10 Minuten lange “Blackstar”, das eigentlich aus zwei Songs besteht und ursprünglich noch länger war. Bowie hatte es gekürzt, damit es auf iTunes als Single veröffentlicht werden kann, wo Singles nicht länger als 10 Minuten sein dürfen. Breakbeats, Saxophon, Bowies Lamentieren mit weinerlicher Stimme und ein sonderbarer Text, der voll von Andeutungen und Querverweisen ist. Dann, mitten im Song, der Wechsel in hellere und melodischere Gefilde und ein Bowie, wie man ihn von früher kennt. Zum Schluss des Songs kehrt er wieder zum anfänglichen musikalischen Thema zurück. Das ebenfalls als Single ausgekoppelte “Lazarus”, ursprünglich für eine Broadway-Produktion geschrieben, erinnert durch den Basslauf, das trockene Schlagzeug und durch die melancholischen Gitarrenklänge erst einmal an die The Cure der frühen 80er. Doch danach folgt ein düsterer, teils mit Saxophon und sägender Gitarre untermalter Song, in dem Bowie unter anderem über den Tod singt. Gerade wenn man sich die beiden Singles “Lazarus” und “Blackstar” anhört und obendrein auch die zugehörigen Videos anschaut, drängt sich unabdingbar der Gedanke auf, dass Bowie damit gerechnet haben muss, bald von dieser Welt abzutreten: Look up here, I'm in heaven I've got scars that can't be seen I've got drama, can't be stolen Everybody knows me now (aus “Lazarus”) Mit “‘Tis Pity She Was A Whore” und “Sue (Or In A Season Of Crime)” finden sich auch zwei bereits veröffentlichte Songs auf dem Album. Letzteres ist Bowies Adaption des Bühnenstücks “‘Tis Pity She’s A Whore” von John Ford und war auf “Nothing Has Changed” enthalten. Der fast identisch betitelte Song “‘Tis Pity She Was A Whore” war die B-Seite der Single von “Sue…”) und wagt einen rhythmischen Ausflug in Hip-Hop-Gefilde. Danach folgt in “Girl Loves Me” ein Singsang in Nadsat (ein Jargon, den Anthony Burgess in “A Clockwork Orange” verwendet hat) und Polari (ein Slang aus der britischen Schwulenszene der 70er Jahre). Der Text des Songs klingt offensichtlich erst einmal nach Nonsens, aber in die einzelnen Worte und Strophen lässt sich auch ein Sinn hineininterpretieren. Den Abschluss des Albums bilden zwei großartige Balladen, in denen als das verbindende Element auf dem Album das Saxophon nicht fehlen darf, die aber melodisch deutliche Reminiszenzen an alte Bowie-Stücke aufweisen. Inhaltlich haben es auch diese beiden, augenscheinlich sanfteren Songs faustdick hinter den Ohren. “Dollar Days” kann man als Abschiedgruß an die Fans verstehen, als Bowies Rückblick, in dem er zu einigen Entscheidungen in seinem Leben Stellung nimmt und Vermutungen über sein Leben nach dem Tod anstellt. Ähnlich verhält es sich mit “I Can’t Give Everything Away”, in das “Dollar Days” ohne Pause übergeht. Es wartet auch mit einer schönen Melodien auf und ist trotzdem ein Abgesang, ein Abschied. Das gesamte Album sollte ein Abschiedsgeschenk für die Fans werden. Es ist, selbst für David Bowie ein ganz besonderes seiner Art und auch ein ganz besonderes Geschenk geworden. Durch den plötzlichen Tod David Bowies lassen sich viele Texte auf Bowies Krankheit und sein plötzliches Dahinscheiden beziehen bzw. dahingehend interpretieren. Vielleicht hat David Bowie wirklich gewusst, dass ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, vielleicht wurde er aber auch genauso überrascht wie der Rest der Welt. “Blackstar” ist in jedem Fall ein würdiger Abschluss, ein tolles Abschiedspräsent für die Fans, wenn auch eines, das auf ewig mit seinem Tod verbunden sein wird.