Muss man Daniel B. alias Daniel Bressanutti noch vorstellen? Ich denke nicht. So gehört der Belgier doch, neben Dirk Bergen, zu den zwei Gründungsmitgliedern von Front 242. Und, wer das ist, das weiß jeder, der in den letzten 40 Jahren nicht mit Wölfen in einer lauschigen Schneewehe im tiefsten Hintersibirien verbracht hat. Der Ausstieg Daniel`s bei Front 242 im Jahre 2018 bedeutet jedoch offensichtlich nicht, dass er sich nicht weiterhin aus dem Backkatalog der Band bedienen könne. Die anstehende Veröffentlichung ist nun der Nachfolger seiner, 2020 erschienenen CD "Six+Six". Diese war anlässlich seines 66. Geburtstages (Bröhö, ein Brüller) erschienen. Am 26.03.2021 (fast genau 6 Monate später) wirft das Label Alfa Matrix also "66.6" (überrascht von so viel Subtilität an die Zimmerdecke schau) auf den Markt. Daniel arbeitete hier mit dem Gitarristen Elko Blijweert zusammen, der ihn schon beim Vorgänger unterstützte. Die beiden nahmen sich Songs von Front 242 zum Rework vor.  4 Titel bilden diese Veröffentlichung und die Tracklist liest sich wie folgt:

01 - Welcome to Paradise, 02 - Funkhadafi, 03 - The End of the End, 04 - Nomenklatura

Es handelt sich also um Neuinterpretationen älterer Songs, welche teilweise nicht unbedingt zu den Gassenhauern der Electro-Pioniere zählen. Machen wir es kurz, mir liegen, halbwegs passable, Variationen bereits bekannter Grundthemen vor. Allesamt Mixe, die man locker als Bonustracks zu anderen Veröffentlichungen verwenden könnte. Obwohl die Titel teilweise schmerzhaft in die Länge gezogen wurden (wahrscheinlich, um bei der schmalen Trackliste wenigstens auf eine halbwegs passable Laufzeit zu kommen) tun diese Neumischungen keinem weh, sind aber auch nicht händeringend erforderlich gewesen. So weit, so gut. Nun hat es sich aber Elko B., als passionierter Gitarrist nicht nehmen lassen diese Versionen auch noch mit E-Gitarrenspiel zu überfrachten. Ich bin beileibe kein Feind des gezupften Saiteninstrumentes, was dem Hörer jedoch hier geboten wird, das bringt mich weit hinter die Grenzen des Verzweifelns. Tatsächlich hört es sich an, als habe Elko hier mit 3,9  ‰ das Schrammelbrett gequält, ohne die Titel vorher auch nur einmal gehört zu haben. Gerade bei Track 1 und 2 ließ mich das panisch nach der Skipping-Taste schielen. Bei Titel 3 und 4 erfolgt der Einsatz der Gitarre dann glücklicherweise subtiler. Das macht die Songs aber nun auch nicht zu Versionen, ohne die sich unsere Mutterkugel nicht problemlos weiterdrehen würde.

Man merkt dem bisher Geschriebenen wohl an, allem Heldentum zum Trotz, diese Veröffentlichung als Stand-Alone in die Läden zu bringen ist meiner Ansicht nach eine Frechheit. Zumal der Erwerb, dem Pressetext zufolge, zum Preis einer Standard-CD erfolgen soll. Allein die Gesamtlaufzeit von knapp 31 Minuten kann man nicht betrachten. Denn bei lediglich 4 Titeln (die zudem größtenteils aus Loops bestehen) ist das trotzdem vollkommen indiskutabel. Da könnte die Verpackung noch so glitzern und mit Platinpailletten versehen sein. (Die Schreibweise von "Pailletten" musste ich übrigens googeln.) Lt. Alfa Matrix kommt die CD in einem "luxuriösen, dunklen 4-Panel-Digipak-Release". Auf Deutsch, es ist ein düster gehaltenes Klappcover aus Pappe. Tja, Lametta ist eben alles. Den Ruhm vergangener Tage in allen Ehren, und mangelnde Geldflüsse (dank Corona-Krise) mit berücksichtigt, es ist nicht gerechtfertigt, dass man dem ohnehin gebeutelten konzertaffinen Electrohead auf derartige Weise die sauer verdienten Penunzen aus der Tasche zieht. Selbst absoluten Komplettisten empfehle ich dringend, vor Erwerb der Scheibe mal reinzuhören, ob man diesen Silberling denn unbedingt haben möchte.