David Tibet umtriebig zu nennen ist zurzeit eine glatte Untertreibung. Das Current93 Mastermind ist nicht nur weiterhin und immerwährend mit seinem Hauptprojekt aktiv, das seit immerhin 1982 existiert, sondern brachte zuletzt mit Hypnopazuzu und Zu93 auch zwei Veröffentlichung in Kooperation mit anderen Musikern auf dem Markt, deren Kauf sich in meinen Ohren lohnte. Zwar wird jedes Projekt currentisiert, sobald Herr Tibet ans Mikro kommt und seine wahrscheinlich für die meisten nicht schön klingende, oft schräge und sicherlich für viele einer Nervenprobe gleichkommende Stimme erschallen lässt, jedoch ist es eben auch seine besondere Art der manischen Predigt in Zusammenhang mit den komplexen, in Philosophie und Geschichte herumstromernden und immer wieder auf Motive aus der bandeigenen Vergangenheit zurückgreifenden Texte, die Current93 zu etwas ganz besonderen machen. Und man muss Tibet zugestehen, dass er stets darauf bedacht ist, sich mit einer Vielzahl von Musikern zusammenzufinden und somit dem Stillstand auf instrumentaler und melodischer Seite gut vorzubeugen. In den letzten Jahren empfand ich Veröffentlichungen dennoch recht anstrengend, denn selbst für mich beinharten Fan, der der Stimme und seinem Gesangsstil viel abgewinnen kann, setzte Tibet zu sehr auf laute, schiefe und langgezogene Töne und gerade bei den hauseigenen Alben geriet mir die Musik doch etwas zu sehr in den Hintergrund.

 

Nun aber, 2018, wird es düster, denn ‚The light is leaving us all‘ und Current93 schlagen an vielen Stellen Brücken zu den beginnenden 90er, also gerade der Phase, in der einige der besten Veröffentlichungen der Band erschienen. Das Album ist deutlich keine Rückkehr, kein rückwärtsgewandter Trip, aber ist mehr im Folk verwurzelt und gibt den Instrumenten viel Raum, um ihre ganz eigenen Geschichten zu erzählen. Durch einige zauberhafte Melodien, einer höheren Gewichtung der Instrumente und einem Tibet, der wieder sanfter und melodischer spricht-singt wirkt das Album nicht nur etwas leichter konsumierbar, sondern auch intensiver und durch das Hauptmotiv der einsetzenden Finsternis, das wie bei Current93-Alben gewohnt in jedem Lied auftaucht,  düsterer. Verzaubert haben mich „The policeman is dead", das in seiner Sanftheit geniale "The bench and the fetch" und der darkfolkige Trip „The kettles on". Doch sind es vor allem das fragil wirkende „Brigt dead star“ und das intensive und an hypnotische ‚Of ruine or some blazing starre‘-Zeiten erinnernde „A thousand witches“, die das Album noch einmal mehr aufwerten. Seit der Veröffentlichung kreist das ALbum wieder und wieder in meinen Hallen und meinem Schädel - ich weil ich es verstehen will, sondern weil ich vor allem Lust auf die Lieder habe.

 

In meinen Ohren die stärkste Veröffentlichung des 58jährigen seit ‚Black ships ate the sky‘ und für Fans und wohlwollend Gestimmte ein Freudenfest. Neueinsteigern ein bestimmtes Album eines so alten Projektes mit unzähligen Veröffentlichungen als Einstieg zu empfehlen ist schwer, doch taucht ‚The light is leaving us all‘ sicherlich in meinen Top Ten auf und kann auch gut für den Erstkontakt herhalten.