„Pleasures Of The Wicked” ist der Titel der Neuerscheinung von Crying Vessel. Blicken wir auf das Cover, tauchen wir ein in eine düsterromantische Kerzenscheinstimmung, zwei Gentleman in Smokings – doch da ist sie, die Schöne im Hintergrund, anmutend im weißen Gewand. Und sie hält ihre zarten Hände, als wolle sie an Fäden ihre Marionetten steuern. Ein Bild, eine Geschichte… Und so klingen auch die Titel des neuen Longplayers wie die Kapitelabfolge einer ebensolchen. Und es ist wahrlich eine düster-melancholische.

„Auxilium“ ist das kurze Intro. Vernebelte, verhallende Glockenschläge führen in einen düsteren Wind mit Stimmengewirr, ehe uns langsam die Synthmelodie des kurzen Stückes einholt und in den zügigen, wavig-verträumten Sound von „For God`s Sake“ übergeht, der mitunter mit der Stimme verschwimmt, die so sehr nach Hilfe sucht. Kann Gott dich hören, bei allem was dich trifft? Fast leiernde Sequenzen legen sich auf die schnellen Beats, verlieren sich schließlich im Hall. Der Nachfolger „The Abyss“ zeigt sich hingegen dumpfer, gemäßigter, doch seine Melodie ist ebenso eingängig, lässt Raum für wehleidigen Gesang, windige Parts und dahingleitende Synthsolos, die sich dann wieder im Beschwingten verlieren. Worin liegt dein persönlicher Abgrund begründet? Was raubt dir die Sinne?

In den nächsten Abschnitt der tragischen Geschichte führt das knappe Zwischenstück „Purgatorium“, emporisch durchzogen. Hört man den schrägen, schwachen Unterton einer kämpfenden Orgel? Der Nebel dessen, was dich einholen will, ist unaufhaltsam. Er kommt auf dich zu und in „Breaking The Spell“ bündelt er sich in mitunter sphärisch-hallenden Passagen, denen im sich anschließenden „Calling Of The Sirens“, dem nächsten kapitelschließenden, kurzen „Siegel“, ein bedrohlicher Unterton zugrunde liegt. Die Sirenen, ihr Gesang ist so gefährlich. Ist es nicht so? „Buried Alive“ folgt daraufhin gewohnt beschwingt und wirkt mit seinen wiederkehrenden Melodiebögen fast hypnotisch. Das Licht kommt, um dich zu holen. „I can`t breathe.“, heißt es hier. Die Stimme dringt klar in den Vordergrund und man wünscht sich, sie würde dies immerfort tun. Der gefühlvolle Gesang bündelt sich in „I Swear I Saw You Smile“ zu wehleidiger Melancholie, die von den Drums auf den wavigen Wellen getragen wird. Einen zunächst gänzlich zuversichtlichen Eindruck macht danach „Lonely Memories“, doch der Schein der Lebhaftigkeit trügt. Die Wahrheit, das Belastende – „It feels like such a sin…“ Die Melodie ist einprägend, wie das, was hier geschieht. „Don`t let it confuse you.“ Der nachfolgende Titel „Web Of Guilt”, das Netz der Schuld, zeigt sich wieder von einer gänzlich anderen Seite - härter, düsterer. Du kannst nicht atmen unter deiner Last. Deine Last ist deine Schuld, der Kampf deines Geistes. Du betest um Erlösung. „You are my obsession.“ Diese Worte brennen sich ein. Du bist meine Besessenheit. Reitend klar klingen die Worte. „So take my hand. Let me show you the way.” Nimm die Hand und lass dir den Weg zeigen. Und wenn du die Hand genommen hast, tanze mit ihr, dem Wahnsinn, der Schönheit, im Mondlicht. „Timid Moonlight“ beginnt bedächtig, bis es dich gefühlvoll hinfort tragen will. Es ist dein Home-Run-Tag, deine Chance! „And let`s dance the night away until the break of day.” Verliere dich doch einfach in der Sünde! Aber dann kommt das Verbrennen. „The Burning“ lässt melancholisch schmerzvoll doch alles zu Asche werden, wofür ihr gestanden habt. Die Melodie klingt zunächst nach einem bekannten Stück. Hall und Drums lassen Sound und Stimme dann zu einer Einheit werden. Eindringlicher präsentiert sich „Black Wedding“. Es ist die dunkle Gefahr der Liebe. Und die Dunkelheit findet sich in „The Third Covenant“ wieder – in einer Tragik mäßigen Tempos und ausrufenden Refrains. Sind es nur die leiernden Synthelemente, die du hörst oder doch die dich verhöhnenden Sirenen im Hintergrund? Der nächste Kapitelschluss folgt, kurz wie das Intro – „The Departed“, wavig-hallender Synth setzt sich von markanten Zwischentönen ab. Du hörst das Wispern der Verstorbenen, doch was du auch hörst, sind die süßlich-verharrenden, sphärischen Laute der Sirenen, die den Song in einem Nebel ausklingen lassen. Muss es so enden? Der Bonus Track schließt das Album und vielmehr, als er nur der Schlusssong ist, ist er die Geschichte selbst. Bedrohlich düster erzählt hier das Ich seine Geschichte, lässt dich in den eigenen Herzschlag sinken. Gefahrvoll führt dich der dunkle Nebel hinein, während einzelne Klaviertöne versuchen, dich zu bewahren. Doch das Düstere, das dich umgibt, ist stärker. Du warst in einem Raum, der gestern noch so erfüllt von Liebe war. Heute ist er leer. Du wurdest lebendig begraben. Und letztendlich löst du dich im schicksalhaften Singsang deiner eigenen Sirenen auf. Der letzte Atemzug ist getan. Das Kapitel schließt sich.

Crying Vessel liefern eine ausgeklügelte, musikalische Inszenierung einer Tragik und malen düstere Bilder, in die man durchaus in melancholischen Stunden eintauchen kann, um mit ihnen eine Weile lang hinfort zu gleiten.

 

Cleopatra Records (Membran)

 

14.08.2020

 

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01. Auxilium

02. For God`s Sake

03. The Abyss

04. Purgatorium

05. Breaking The Spell

06. Calling Of The Sirens

07. Buried Alive

08. I Swear I Saw You Smile

09. Lonely Memories

10. Web Of Guilt

11. Timid Moonlight

12. The Burning

13. Black Wedding

14. The Third Covenant

15. The Departed

16. Bonus Track