Einige werden sich an dieser Stelle fragen, warum hier ein fast zwei Jahre altes Doppelalbum einer fast gänzlich unbekannten Postrockkapelle besprochen wird, wo es doch Woche für Woche reichlich frisches Material gibt, das diese Aufmerksamkeit mit Sicherheit auch verdient hätte. Dazu lässt sich nur sagen: Ein Re-Release ist immer eine schöne Möglichkeit auf ein Werk hinzuweisen, dass zwar durchaus Aufmerksamkeit erfahren hat, davon aber im Vergleich zu seiner Genialität immer noch entschieden zu wenig. Man nehme einen Haufen offensichtlich noch nicht ausreichend ausgelastete Musikgenies aus allen Bereichen der verkopften Gitarrenmusik, Sperre sie in einen Proberaum und schaue nach ein paar Tagen nach, was denn so geschehen ist. In einem ähnlichen Szenario könnten vor einigen Jahren die Briten von Crippled Black Phoenix zusammen gefunden haben. Nach dem intensiven, großartigen und zugegebener Maßen und nicht ganz so einfach zu verdauenden Debüt 'A Love of shared Disasters' liegt nicht einmal zwei Jahre später der Nachfolger 'The Resurrectionists / Night Raider' auf dem Tisch. Als über 120 minütiges Doppelalbum versteht sich, alles andere kann ja jeder. In die Gehörgänge und Hirnwindungen gibt es melodischen Postrock, der irgendwo zwischen melancholisch, fröhlich und einfach unfassbar wahnsinnig umherpendelt. Wenn man über Einflüsse nachdenkt, dringt sich einem zum einen unweigerlich Pink Floyd der 70er Jahre in modernen Gewand auf und zum anderen können die einzelnen Mitglieder aber auch nicht ihre ursprüngliche Herkunft verleugnen. So sind hier Mogwai und Electric Wizzard klar zu herauszuhören. Beeindruckend auch die Produktion, die fernab von jeglichen Trends der vergangenen Jahre einfach ausgeglichen und Zweckdienlich ist. Getragen von einem Haufen Gitarren sowie Klavier-, Synthie- und Streichermelodien gibt es vor allem auf 'The Resurrectionists' einen Ohrwurm nach dem nächsten. Dazu kommt, des öfteren choral unterstützt, Justin Greaves Stimme, mal tieftraurig, mal himmelhoch jauchzend, dann wieder einfach wütend – Charisma pur. Auffällig auch: Es reiht sich ein Longtrack an den nächsten und es wird, selbst bei dem fast zwanzig Minuten langen Eröffnungsmonster 'Time of ye Life / Born for Nothing / Paranoid Arm of narcolaptic Empire' einfach nicht langweilig, sondern fesselt einen nur jede Minuten noch ein bisschen mehr. Überhaupt ist das, was die Briten hier zusammen musizieren schwer zu greifen und noch schwerer zu beschreiben, da hier ein Haufen komplexer Gebilde aus den Lautsprechern wabert und dann auch noch kein Song wie der davor klingt und das alles auf unglaublich hohem Niveau. Crippled Black Phoenix werfen der Menschheit einen der genialsten Brocken Musik der ersten Dekade des neuen Jahrtausends vor die Füße. Ich tendiere ja eigentlich dazu, keine Höchstnoten zu vergeben, aber wer hier zugreift und einige male 120 Minuten Lebenszeit investiert, wird verstehen, dass alles andere unangebracht wäre. Das britische Musikerkollektiv schafft es hier einfach, ein zugleich atemberaubend atmosphärisches, wunderschönes, ergreifendes und zugleich auch beängstigendes und verstörendes Werk in die Welt zu setzen.