Fast auf den Tag genau 3 Jahre ist es nun her, daß Corvus Corax mit „Cantus Buranus“ eine eigene orchestrale Neubearbeitung von Liedern aus den Carmina Burana veröffentlichten. Angesichts der vielen positiven Kritiken und erfolgreichen Live-Auftritte dieses Konzepts war klar, das schreit nach einer Fortsetzung, zumal die Carmina Burana ja noch jede Menge Material bereithalten. Gleichzeitig standen sicherlich nicht nur die Fans vor der Frage, wie man dieses großartige Werk womöglich toppen könnte. Die Antwort darauf heißt jetzt „Cantus Buranus II“ und offensichtlich ist den acht Raben dazu hauptsächlich eines eingefallen: Klotzen statt kleckern. Ein großer Klotz ist es wahrlich geworden, der da aus den Lautsprechern schallt, denn was bei „Veritas Simplex“ noch beschaulich mit Klaus Lothar Peters' gefühlvoller Tenorstimme beginnt, steigert sich alsbald zu einem gewaltigen Soundwall, der 12 Tracks lang einer wilden Mongolenhorde gleich Tod und Teufel, Sünde und Tugend, Bischöfe und Schmeichler und überdies den Hörer gnadenlos niederwalzt. Am Ende bleibt nicht nur verbrannte Erde, sondern auch eine vollkommen erschlagene Rezensentin zurück, die sich Gedanken darüber macht, ob dies eigentlich noch der ursprünglichen Intention der Carmina Burana entspricht. Nein, natürlich nicht, das war ja auch weder in der Orff'schen Fassung noch bei „Cantus Buranus“ Teil 1 so geplant gewesen. Trotzdem verstanden beide Interpretationen die Stimmung der seinerzeit ausgewählten Trink-, Tanz- und Vagantenlieder mit dem Instrumentarium des modernen Orchesters adäquat umzusetzen. Dieser Gesichtspunkt fehlt hier völlig, zumal die für „Cantus Buranus II“ vertonten Texte religiöse oder weltanschauliche Themen behandeln, welche einer wesentlich sensibleren Herangehensweise bedurft hätten. Doch das alles geht in dem mächtigen Tonkörper des Babelsberger Filmorchesters, des Berliner Passionata Chors sowie den Dudelsäcken und Schlaginstrumenten der Urheber selbst unter und degradiert die aus dem mittelalterlichen Leben gegriffenen und teilweise hintergründig moralischen Stücke zu einem bloßen Monumental-Soundtrack, welcher sogar den hervorragenden Vokalisten Ingeborg Schöpf (Sopran) und Klaus Lothar Peters (Tenor) sowie den einzelnen Stimmen des Orchesters nur wenig Freiraum läßt. Daß „Cantus Buranus II“ mit diesem Pomp live ein beeindruckendes Erlebnis ist, ziehe ich dabei keineswegs in Zweifel, ebenso verdient die opulente Produktion und die Professionalität des Orchesters bzw. des Chores Anerkennung. Dennoch wäre hier ein bißchen mehr kleckern statt klotzen die bessere Wahl gewesen.