Combichrist...nuff said, eigentlich. Falls es jedoch noch Personen in der Electro-Szene gibt, die nichts mit diesem Namen anfangen können: Combichrist begann als Nebenprojekt von Andy LaPlegua, Frontmann der nicht mehr aktiven Synthpop-Kombo Icon Of Coil. Unter anderem die gute Resonanz auf den Output ließ es zu seinem Hauptprojekt werden, und seitdem bedient er die internationalen Clubs mit Tanzfutter. Er selbst beschreibt seinen Stil als "TBM" (Terror Body Music), was einer destruktiven Mischung aus Techno, EBM, Industrial und Noise entspricht.

Mittlerweile hat er 4 Alben und diverse EP's veröffentlicht, unzählige Remixes angefertigt und war auf noch unzähligeren Samplern vertreten. Auch live weiss er Fans zu begeistern, was jüngst dazu beigetragen hat, dass er Rammstein auf ihrer Tour begleitete. "Noise Collection Vol. 1" stellt die Bündelung der ersten 4 Releases dar, die alle vergriffen waren. CD1 ist die Neuauflage des ersten Albums "The Joy Of Gunz" aus dem Jahre 2003, und schon beim Erklingen des Openers "Intruder Alert" merke ich, dass dieses Werk nach 7 Jahren nicht an Anziehungskraft verloren hat, vor allem wenn nach 45 Sekunden Sample-Repetition der Bass-Kick einsetzt. "I only came to make some noise, i only came to dance", diese Textzeile ist bezeichnend für den Sound von Combichrist und kommt auf dem Début sehr gut zum Ausdruck. Klar wird das schon bei "Joy To The World", das mit fiesen, verzerrten 4/4-Beats zielstrebig geradeaus marschiert, auf alles Unnötige, sprich Melodie, verzichtet und nur ausgiebige Film-Samples und Noise-Einlagen mitträgt. Diese Attitüde steigert sich noch mit den folgenden Tracks, wobei häufig auch die technoiden Elemente herauszuhören sind und die Tanzbarkeit dieser vertonten Aggression mitbegründen.

Sein Talent für animierende Rhythmen beweist LaPlegua jedoch auch mit ruhigeren Stücken wie "Master Control" und "Shrunken Heads For All Occasions", wobei letzteres eine geradezu lounge-mässige Ambient-Nummer ist. Zu den bekannteren Stücken dürfte zudem "Vater Unser" zählen, das mit einem Basskick-Stakkato beginnt und einen Druck aufbaut, der über das gesamte Stück nicht verloren geht. Die Kombination aus Samples von betenden Kindern mit kompromisslosem Rhythmic Noise presst alle an die Wand die nicht mehr genug Kraft in den Beinen haben. Übrigens ist auch der schon beim Original nicht mit aufgeführte Track "This Is The Joy Of Gunz" enthalten. Nichts für jungfräuliche Ohren. CD2 ist eine Zusammenstellung aus dem Halloween-Special "Kiss The Blade" (limitiert auf 667 Stück), der Vinyl-Veröffentlichung "Blut Royale" (limitiert auf 666) und der "Sex, Drogen und Industrial"-Maxi. Begonnen wird mit den "Kiss The Blade"-Mixes, wobei der "Motherfucker 667 Mix" geradlinigen Beat zum Mitstampfen, stark verzerrte Vocals und natürlich das bekannte Halloween-Thema liefert. Der "Frequensy Cabrone 667 Mix" dreht den Distortion-Regler nochmal um einiges höher und ist rhythmisch etwas unbeständiger, Rauschen mit Wackelkontakt. "Minus One" passt mit abwechlungsreichem Noise-Anteil und kontrolliertem Chaos in das Schema des Début-Albums, wogegen "The Well" fast reinen Techno bietet, der in Bezug zu dem nahezu Gabber-artigen "Penalty Shot" wohl als Regenerations-Pause gedacht war.

Von "Blut Royale" ist nur die A-Seite vertreten, d.h. "Blut Royale" (wie auch "Like To Thank My Buddies"erschienen auf dem zweiten Album "Everybody Hates You") ohne Vocals und ein Remix von "Vater Unser", der an Verzerrung einspart und primär aus treibendem Beat besteht. "Sex, Drogen Und Industrial" ist in all ihrer club-orientierten Glorie komplett hinzugefügt worden und verwöhnt mit 3 Remixes, die sich auch wirklich voneinander unterscheiden (was ja leider nicht immer der Fall ist). Ihre Gemeinsamkeit liegt hauptsächlich in ihrer Schubkraft, die sich z.B. im "LowTech Mix" phasenweise durch eine gewisse Trance-Affinität äussert und im Remix von Soman durch hohe Beat-Dichte in Kombination mit lasziver, den Titel intonierender, Frauenstimme. Das es sich hier um einen kleinen Ausflug in die Gefilde von "herkömmlichem" Techno und Electro handelt, bestätigen auch "Tractor" und "Anatomy". Letzteres ist das wahrscheinlich melodischste Lied in diesem Paket, was dem Immersions-Potential zugute kommen dürfte.

Die Live-Version von "Like To Thank My Buddies" aus dem Jahre 2004 ist soundtechnisch nicht unbedingt die Krone der Schöpfung, sollte es aber schaffen zum Ticket-Kauf zu überzeugen. "Strike" erschien 2004 auf dem Out Of Line-Sampler "Industrial For The Masses Vol. 2" und rundet diese Compilation im gewohnten Stil würdig ab. Die meiste Zeit geht es unbeirrt nach vorne, jedoch ohne in Monotonie zu enden. Das Beatwork ist solide und wirkungsvoll umgesetzt, und die üppigen akustischen Accessoires erleichtern den Übergang ins Delirium.

Für alle geeignet, die die genannten Veröffentlichungen verpasst haben, eine Gelegenheit, ihren Inhalt endlich ihr eigen nennen zu können, und außerdem für alle, die Combichrist noch nicht kennen und zünftige Marschmusik suchen, die mit adipösen Blasorchestern nichts zu tun hat. Das Material ist zwar schon ein paar Jahre alt, funktioniert aber heute immer noch genauso gut. Dreckig, hart und schön verpackt.