Was die gibt’s noch, werden sich einige Fragen. All denen sei gesagt, JA – und wie!Was damals Anfang der 90er mit dem Bestseller „Deaf Dumb Blind“ und dem Mega-Hit „Nigger“ als wütender Sturm auf die eingefahrene Alternativ-Rock-Szene aufzog, wurde in den folgenden Jahren immer mehr zu einem lauen Lüftchen. Alben wie “A Whole Lot Of Nothing” oder auch “Zeros & heroes” konnten musikalisch punkten, scheiterten aber an den hohen Erwartungen, frühe Erfolge zu wiederholen. Seit mehreren Jahren sind die Schwedischen Crossover-Kings nun bei Nuclear Blast unter Vertrag und veröffentlichen nun mit „Life Will Kill You“ ihr insgesamt siebtes Studioalbum. Ungewöhnliche Streicherarrangments eröffnen den wilden Reigen – hab ich die falsche CD eingelegt? Apocalyptica? Nix da! Niemand würde die erste halbe Minute für einen Clawfinger-Song halten. Doch dann brechen die typischen röhrenden Gitarren ein und ein wahrer Orkan bricht los. Sänger Zak Tell übernimmt das Kommando und schreit im gewohnten Sprechgesang die Gitarren in Grund und Boden. Ein knackiger und eingängiger Refrain rundet „The Price we pay“ als ersten Hit ab – fetter Start. Wer glaubt, Clawfinger haben nach der ersten Runde ihr Pulver schon verschossen, sieht sich gewaltig getäuscht. Knaller um Knaller folgen – sei es der zukünftige Live-Hammer „Life Will Kill You“ oder das ungestüme aber gleichzeitig melodische „Prisoners“. Die ersten knapp zehn Minuten sind mit das beste was ich von den Skandinaviern in 16 Jahren Bandgeschichte hören durfte. Knackige Hooks, reißerische Riffs und zielsichere Melodien par excellence – alle Trademarks der Schweden werden bedient, ohne in Plumpe Selbstbeklauung zu enden. Nach diesen drei Brechern wird erst mal kurz die Luft rausgenommen. „Final Stand“ beginnt mit lockeren, verspielten Drums, orientalischem Hintergrund-Gesang und einem gefühlvollen Gesang seitens Zak, um sich jedoch im laufe der folgenden Minuten zum nächsten wütenden Monster zu entwickeln. Inhaltlich dreht sich der Song um den Märtyrertod eines islamischen Selbstmordattentäters. Ein heißes Eisen, aber Clawfinger waren noch nie um provokante Texte verlegen. Nach dem eher durchschnittlichen „None The Wiser“ kommt mit „Little Baby“ der ungewöhnlichste Song des Albums. "Little Baby", welches sich thematisch um Kindermissbrauch dreht, ist eine astreine Ballade, welche als Dialog zwischen Vater und Tochter aufgebaut ist, wobei eine mir bis dato unbekannte Sängerin den weiblichen Part übernimmt. Auch wenn die Lyrics viele Klischees beinhalten, schafft er es, verstörende Bilder im Kopf des Hörers zu produzieren - vor allem die mit ultraharten Gitarrenwänden dargestellte Vergewaltigung am Ende schockt! Dieser Song lässt dich so schnell nicht wieder los! Zum Glück können die Jungs auch anders, wie “It’s your life” eindrucksvoll beweißt. Nach mehrheitlich bedrückenden und in den finsteren Stellen der Seele stochernden Lyrics, überraschen die Schweden mit einer 1A-Pro-Life-Hymne, die sich jedoch genauso schnell wie der Rest der Songs im Hirn festsetzt. „Steal the Moment and Enjoy the Game of Life“. Fazit: Das ist mal eine Überraschung. Klar standen Clawfinger schon immer für anspruchsvollen Crossover, aber dieses Mal haben sie wirklich ein Mörderteil am Start. Liegt’s an den Veränderungen? Welche Veränderungen? Sie machen eigentlich genau das Gleiche wie vor Jahren schon, nur dieses mal einfach besser, knackiger und extrem druckvoll. Pure Energie zeichnet ein Album aus, was vom Start weg funktioniert und sich hartnäckig in den Gehörwinden festsetzt. Mit „Life Will Kill You“ gelingt den Schweden eine nicht mehr für möglich gehaltenes Brett, was jetzt schon als offizieller Nachfolger von „Deaf Dumb Blind“ gehandelt werden muss. Daumen hoch!