Was macht eigentlich einen Star aus? Häufige Präsenz in den Charts? Ausverkaufte Stadien? Aufgespritzte Lippen und Telefonatrappen auf dem Kopf? Na ich weiß nicht, vielleicht doch eher Charisma, das Gefühl dass es da jemand erst meint und sich nicht im Kommerz einfangen lässt sowie kontinuierlicher, wenn auch sparsamer Output, der nach fünfundzwanzig Jahren noch immer überzeugt und weit weg ist von der vierten Remix-Veröffentlichung des einen großen Hits aus den Achtzigern… Claudia Brücken einer der wichtigsten Exporte Deutschlands in das vereinigte Königreich wenn es um elektronische Musik geht? Ganz bestimmt! Auch wenn das natürlich der breiten Masse verborgen bleibt, denn Chart-Erfolge gab es nur mit Propaganda, alle anderen Veröffentlichungen bleiben dem ‚Inner Circle’ vorbehalten, der sich allerdings die Finger nach jedem neuen Release leckt und so eine echte Gemeinschaft bildet. Und wenn dann die Fangemeinde in der Szene von Blank & Jones über Apoptygma Berzerk bis hin zu Martin Gore geht, sollte die Frage aus der Einleitung eindeutig zu beantworten sein. Kein Wunder also, dass sich viele der musikalischen Wegbegleiter im letzten Jahr in der Londoner Scala für eine One-Off-Show mit Claudia eingefunden haben um mit ihr dort ihr bisheriges musikalisches Schaffen eindrucksvoll in neunzig Minuten zu resümieren. So kamen über tausend Fans nach Kings Cross und füllten den Venue für einen echten Star, wo bei anderen gut promoteten Indie Acts nur Publikum im kleinen dreistelligen Bereich zu aktivieren ist. Den Kern der Setlist bildet natürlich das ‚Combined’ Album des letzten Jahres, ergänzt um Raritäten, die Claudia mit den Gästen schon einmal live dargeboten hat oder die einfach gut ins Konzept passen. Was sind nun die Highlights der neunzehn dargebotenen Songs? Diese Frage beantwortet wohl jeder Zuschauer für sich selbst. Natürlich sind die vier Propaganda-Songs alleine deshalb schon zu erwähnen, da Suzanne Freytag und Ralf Dörper den Weg nach London geschafft haben und so eine vorher noch nicht oft gesehene Live-Konstellation bildeten. Neben den drei bekannten Singles des ersten Albums ist auch ‚Dream Within A Dream’ im Programm enthalten, auch wenn hier Claudia gesanglich gar nicht involviert ist. Dawne Adams kann gerade hier ihr Können an den Percussions zeigen und ein Intro mit echtem Flügelhorn setzt Maßstäbe. Wie immer ist auch Glenn Gregory ein gern gesehener Gast, der bei gleich drei Songs mitwirken darf: zunächst übernimmt er den Part von Thomas Leer in ‚Snobbery and Decay’ bevor er seinem Heaven17 Partner in Crime, Martyn Ware, auf die Bühne bittet um gemeinsam die elektrisch coole Demo-Version von ‚Temptation’ in die Setlist gekonnt einzuflechten. Den sehr Pop/Club-geprägten Ablauf der Show, der auch remixte Versionen der Onetwo Titel ‚Home’ und Sequentia’ beinhaltet, unterbricht die Performance mit Andrew Poppy, die eher zerbrechlich und leicht sperrig einen Akzent setzt und eine ganz andere Seite von Claudia Brücken hervorhebt. ‚Running Up That Hill’ und ‚In Dreams’ als Coverversionen können jedoch genauso überzeugen wie der Rest des Sets. Insgesamt integriert sich Altes bestens mit Neuem, Schnelles mit Bedächtigen, Eigenes mit Gastbeiträgen. Einen großen Bühnenaufbau braucht das nicht, vielmehr wurde Wert darauf gelegt, dass musikalisch alles schlüssig und professionell geplant und herübergebracht wurde. Schließlich revanchiert sich auch Andy Bell für Claudias Gastauftritt beim Album ‚Electric Blue’ live, bevor mit ‚Duel’ und der hervorragenden neuen Single ‚Thank You’ der Liederabend endet. Noch immer sympathisch, leicht schüchtern und trotzdem mit voller Wucht präsentierend ist Claudia Brücken inzwischen ein nicht wegzudenkender Teil der Londoner Pop-Szene, ganz eindeutig! Da brauchts keinen 5.1-Sound, keine aufgepimpten, neuen Versionen, die dezent remixten Beiträge und Originals finden sofort zeitlos den Weg ins Ohr des Betrachters. I’m glad this happened…