Je mehr Musik man hört, desto seltener wird man überrascht. Und nein, man darf den Sicherheitsgurt lösen: ich werde nun nicht von einem der wenigen Alben berichten, dass mich (noch) überraschen konnte. Ich schreibe eher von richtig guter Kost, die in eine bekannte Kerbe schlägt: Ich bin mir sicher, dass ich bei vorliegendem Album von Caradras nicht der einzige bin, der an Helrunar denken muss. Und das scheint auch vollkommen okay, steuert doch Helrunar Bandkopf M.D. selbst einige Gastvokals bei und auch mit einem Mastering in der Klangschmiede E von Martin Stock ist man recht nah am vermeintlichen Vorbild.

Anders aber als einige der Werke Helrunars kann ich ‚Schattenkönige‘ ab dem ersten Durchlauf so einiges abgewinnen. Nein, ein zweites ‚Grátr‘ ist es nicht geworden und auch die Schärfe von ‚Niederkunfft‘ wurde nicht erreicht. Aber die vier Herren aus Nordrhein-Westphalen haben dennoch ein wirklich starkes Debüt zusammengezimmert, auf dem ich zumindest keine Ausfälle ausmache. Und der Sound ist sowohl in der Abmischung, als auch im direkten Vergleich nicht allzuweit weg – auch hier komme ich klar mit einer so starken Orientierung an einem größeren Namen, wenn es so gut gemacht wird. Einzig die Vocals bieten zwar einerseits wesentlich mehr Abwechslung, als es M.D. selbst uns gönnt, jedoch ist nicht jede Variation des Kreischen, Fauchen und Gurgelns unbedingt gelungen - hier ist noch Luft nach oben. Anstonsten aber: acht tonnenschwere Walzen, die selbst in den schnellen Blastbeat Phasen vor allem niederdrücken. „Siegel, gebrochen“ ist nach einem soliden Einstieg ein wirklich geiles Stück Black Metal: Kalt, unnahbar und atmosphärisch dicht mit schönen Wechseln zwischen zäher Trägheit und forschem Sturm und Drang. Dazu kommt noch ein wenig Märchenstimmung mit einem Erzählpart – der endgültig die Nähe zu Helrunar unterstreicht. Die Zusammenarbeit mit M.D. verhindert jeden Gedanken an Plagiatsvorwürfen, die Qualität des Materials kann und soll als Bereicherung gesehen werden für Fans der „anderen“ Band.

„Prometheus“ und „Drums in the deep“ sind meine zwei weiteren Reinhörempfehlungen und damit kann ich eigentlich auch schon sehr gut zum Ende kommen: Wer Helrunar schätzt, der sollte Caradras eine Chance geben. Statt Überraschungen finden sich auf ‚Schattenkönige‘ bockstarke Songs, 55 Minuten pure Kraft. Unbedingt reinhören!

 

Caradras

Schattenkönige

 

15.10.2021

Black Sunset / Alive

 

https://www.facebook.com/Caradras.Official/

 

01. Im Nebel
02. Siegel, gebrochen
03. Schattenkönige
04. Kettenhund
05. Prometheus
06. Drums in the deep
07. In den Grüften
08. Von den Sternen