‚The Pleasure Remains for a While…’, doch nicht für immer, und das wissen auch Camouflage. Bereits 2006 starteten die drei Herzblutelektroniker das letzte Album ‚Relocated’ live zu präsentiere. Eine Konzert-DVD war da bereits fest in der Planung, die Veröffentlichung musste jedoch mehr als einmal verschoben werden. Dass die Freude weiter anhalten wird, das ist inzwischen sichergestellt, denn endlich liegt der fertige Retail-Digipak als eins der liebsten Geschenke unter meinem Weihnachtsbaum, wohingegen der Rest der Welt noch bis Mitte Januar auf die offizielle Veröffentlichung warten muss. Drei Ton- und Bildträger enthält das Set ‚Live in Dresden’ und bereits nach dem Einlegen der ersten DVD ist klar: das Warten hat sich gelohnt! Die Menüs sind mit extra angefertigten Kurzinterpretationen von Camouflage-Titeln unterlegt und das minimale Design mit dem LED-Thema zieht sich wie ein roter Faden konsistent durch die Veröffentlichung. Selbst die CD/DVDs selbst sind einfarbig gehalten und fügen sich so als farbige Dots in das Gesamtbild ein. Neben dem Konzert selbst enthält die Box mehrere Dokumentationen, alle Videoclips und Extras aus diversen Fernseh-Shows. Doch zunächst zum unumstrittenen Hauptteil: die Live-DVD bietet ein komplettes Konzert mit allen auf der Tour gespielten Titeln, bis auf die Coverversion von ‚Being Boiled’. Gefilmt mit etlichen Kameras, nicht zu schnell geschnitten entsteht dabei ein durchgängiger Gesamteindruck, der sowohl auf die Musiker selbst fokussiert aber gleichzeitg auch dem Bühnenaufbau und der Bühnenshow ausreichend Rechnung trägt. Der Multi-Instrumentalist Heiko Maile wird dabei genauso gefeatured wie Oliver Kreissig, der eher ruhige Pol der Band und natürlich auch der ständig in Bewegung, das Publikum anheizende Markus Meyn. Musikalisch willkommen ergänzen Volker Hinkel an der Gitarre und Jochen Schmalbach am Schlagzeug das Line-Up und garantieren so mit der Stammbesetzung zusammen das echte Live-Feeling. Denn selbst wenn man die Studio-Versionen der Songs nicht regelmäßig hört fällt schnell auf, dass die Soundscapes oft weniger dicht erscheinen, jedoch mit markanten neuen Sounds ergänzt den Songs, wenn auch oft nur sehr subtil, eine neue Richtung geben. Insbesondere gilt das natürlich auch für die älteren Kompositionen, wie das für die Band mit besonderem Stellenwert besetzte ‚That Smiling Face’ oder den beiden Überhits, die an dieser Stelle sicherlich nicht mehr genannt werden müssen. Sauber abgemischt wird damit auch die Audio-CD, die maßgebliche Teile des Konzerts auf den limitierenden 80 Minuten vereint, zum essenziellen Bestandteil des Sets. Wie immer wird man bzgl. des Tracklistings der CD in unendliche Diskussionen verfallen können und persönlich fehlt mir sicherlich ‚The Pleasure Remains’ … Einzig die Art der Aufnahmen und die Farbgebung hinterlassen einen kleinen faden Beigeschmack, denn allzu Ferseh-artig wurden die Aufnahmen teilweise abgemischt. Recht hell vom Ambiente, dafür zugegebenermaßen scharfe Bilder. Oft jedoch sind es gerade die satten Farben, die entstehen, wenn man die Belichtung etwas zurücknimmt, die das Konzertfeeling auch zu Hause rüberbringen. Und wenn dabei ein wenig Noise und Grobkörnigkeit dazukommt ist das meist gar nicht so schlimm, wie zuletzt Kraftwerk oder Depeche Mode schon immer bewiesen haben. DVD 1 enthält als Extras noch eine Unplugged Version von ‚Something Wrong’, die im Studio aufgenommen wurde und eine zwölfminütige Tour-Doku. Die eigentlichen Extras folgen dann auf DVD 2. Diese vereint zunächst einmal alle bisher erschienenen Camouflage-Clips. Bereits Mitte der Neunziger wurde das Best-Of CD/DVD Set ‚Rewind’ mit den Videos veröffentlicht, doch mit ‚Thief’, ‚Me & You’ und ‚Motif Sky’ gibt’s auch hier Neues zu vermelden. Zusätzlich sind drei Acoustic-Tracks aus dem ‚Schattenreich’ enthalten, bei denen Camouflage unterm elektronischen Sternenhimmel ‚Perfect’, ‚Me & You’ sowie ‚I can’t Feel you’ in sympathischer Musik-Kommunen-Manier zum Besten geben. Man hat sie alle lieb, ob die nostaligisch in Sepia-Tönen gefilmte Geschichte zu ‚Strangers Thoughts’, das Farbgewitter zu 'Heaven' oder das wohl künstlerischste Video mit Kaleidoskop-Effekten zum ewig jungen ‚Suspicious Love’. Eher creepy und mehr als Zeitdokument verstehen sich die NDR-Beiträge aus den Sendungen ‚Spielbude’ und ‚Spruchreif’, bei denen zu dicke Kinder in zu engen Jeans mit zu bunten 80er-Klamotten fast mehr im Mittelpunkt stehen als die Musiker aus Bietigheim. Ein sicheres Highlight ist ‚Relocated in Russia’, das in einer knappen Stunde von Guido Fricke und Oli Kreissig gefilmt einen charmanten Einblick bzgl. der Minitour in Russland bietet. Oft sind die Bilder dabei mit Musik unterlegt und kommen ohne große Dialoge aus. Und so erfährt man eine ganze Menge über das Land selbst, das hier etwas herausfordernde Tourleben in Nachtzügen nach Wolgograd, während Bus-Stops mit gefrorenen Fisch-Snacks, und auf Bretter-Bühnen in der Provinz. Die einstündige Doku ist somit nicht nur ein Bonbon für den Hardcore-Fan sondern fesselt auch den vorübereilenden Betrachter mit Kurzweil und hohem Unterhaltungswert. ‚Thanks for coming’ steht im Booklet. ‚Thanks for coming’ zurück an die Band, denn es ist klar, dass hier nicht der Kommerz im Vordergrund steht, sondern die Freude am Zusammenspiel mit den Zuschauern, die jeden Abend anders sind, jeden Abend von der Band beschenkt werden und das Dargebotene mit Applaus und Treue belohnen. Denn Camouflage ist eine Band die nicht mit den Jahren alt geworden ist und die staubigen Hits tot-tourt, sondern liebenswert und zeitgemäß zu unterhalten weiss.