O.k., es ist eine ganze Weile her, dass C-Drone-Defect das letzte Mal den Weg in die heimische Stereoanlage fand. Vor allem hat die VÖ, um die es sich dabei handelte, schon ein paar Jahre auf dem Buckel. Die Rede ist von "Neural Dysorder Syndrome", das 2001 erschienene Debütalbum von Marc Horstmeiers Projekt. Damals frisch gegründet und bei Synthetic Symphony unter Vertrag, landete Horstmeier mit "Neural Dysorder Syndrome" einen echten Wurf – abwechslungsreicher, durchdachter, vielschichtiger und sehr tanzbarer Electro mit zahlreichen Stileinflüssen und Soundexperimenten, der in dieser Form bis heute keine Abnutzungserscheinungen zeigt, sondern – im Gegenteil – absolut erfrischend und spannend wirkt. Dazwischen ist ganz schön viel Zeit vergangen. Zeit, in der bei C-Drone-Defect gar nicht so viel passierte – oder doch? Das zweite Album "Nemesis" erschien 2004 nach dem Wechsel zu NoiTekk, 2009 folgte die kostenlose Download-EP "Letters from Dystopia", welche das noch im gleichen Jahr erscheinende dritte Album "Dystopia" ankündigte, das nun vorliegt. Obwohl die Interims-VÖ "Nemesis" persönlich unbekannt (eine Rezension ist allerdings beim MK nachzulesen) ist, lässt der Wechsel zu NoiTekk schon erahnen, in welche Richtung sich der Sound von Horstmeier entwickelt haben dürfte. Eine Blitzrecherche im MK bestätigt die Vermutungen. Zementiert werden sie spätestens nach dem ersten Hördurchlauf von CD1 der Limited Edition im Digipack, dem neben der regulären Album-CD eine zweite CD mit identischem Tracklisting beiliegt, wobei diese Titel jedoch allesamt Remixes sind. "Dystopia" wirkt in seiner Aufmachung futuristisch und präsentiert eine künstliche, nicht wirklich lebenswerte Zukunftswelt ähnlich Sin City: grau, kalt und bedrohlich. Dem gegenüber stehen – ein völliger Bruch, missglückt oder absolut gewollt? – die durchweg in Latein gehaltenen Songtitel (und zwar solche, die auch schon ein mittel begabter 5. Klässler eines humanistischen oder neusprachlichen Gymnasiums versteht, z.B. "Morituri te salutant", "Post Tenebras Lux" oder "Tempus fugit". Wie einfallslos! Fehlt nur noch Cäsars geflügelter Ausspruch "Alea iacta est". Glücklicherweise sucht man den nun doch vergeblich.) "Gesungen" wird aber nicht lateinisch oder gar deutsch, sondern doch englisch, will heißen, modern. Für den obligatorischen poetischen Touch (was ein Album per se nicht intelligenter macht) wurde für den Opener "Rebellis" auch noch Charles Baudelaire zitiert – thematisch fehl am Platze ist er wenigstens nicht. Musikalisch und textlich hat man sich vollkommen an die "neue Zeit" angepasst, denn "Dystopia" bietet düsteren, aggressiven Harsh Electro mit verzerrten Vocals à la Tactical Sekt, Aslan Faction oder Grendel, wie sie einen schon seit geraumer Zeit verfolgen und wie man sie eigentlich auch schon länger nicht mehr wirklich hören mag. Mit dem positiven Unterschied, dass Horstmeier für das Album mit breiten, ausufernd melodiösen Keyboard- und Synthieebenen, voluminösen Beats, energischen Gitarrenriffs sowie pathetischen, hymnischen Chorälen hantiert hat und sich damit doch von der Masse abhebt, denn es wird nicht im völligen BPM-Rausch durchs Album gepoltert. Insgesamt macht sich doch ein eher entspannter, aber absolut tanzflächentauglicher Rhythmus breit. Und sonst? Zehn Albumtitel sind vielleicht etwas wenig, doch die durchschnittliche Tracklänge von knapp sechs Minuten macht das Manko fast wieder wett. Und bei der Limited Edition gibt es ja immerhin noch CD 2, die lediglich, was wiederum reicht einfallslos ist, die Albumtracklist 1:1 in Form von Remixen präsentiert. Übliche Verdächtige aus dem musikalischen Umfeld wie Xentrifuge, XP8, Autoclav 1.1., Life Cried, aber auch Ashbury Heights haben C-Drone-Defect einen Freundschaftsdienst erwiesen und z. T. gute, spannende Remixes unterschiedlichster Couleur beigesteuert, bisweilen besser als das Original. Nur mit dem Remix von Syndika Zero fällt es etwas schwer, warm zu werden, aber das ist natürlich Geschmackssache. Auch der ravemäßige Technomancer RMX wird nicht jedermanns Fall sein. Abwechslungsreich ist die CD-Dreingabe allemal. Das Album an sich ist keinesfalls stark abzuwerten, bringt es doch genug anregende Power für Zuhause mit – für die Clubs sowieso. Da sehr homogen, will heißen, die Tracks sind allesamt ziemlich ähnlich und einem Stil treu, hat das Album einen recht hohen Wiedererkennungswert und geht nicht ganz in der Masse der Harsh-Electro-Band-Flut unter. Aber wirklich einfallsreich ist "Dystopia" leider auch nicht. Das ging zu Zeiten von "Neural Dysorder Syndrome" besser! Doch damit wäre man vermutlich weder bei NoiTekk gelandet, noch bei den Tausenden zappelnden Cyber-Gothics, die heute darauf tanzen. 2009 ist eben nicht 2001 – und umgekehrt.