Wenn man den Namen Boyd Rice bzw. sein Pseudonym Non fallen lässt, tauchen unweigerlich zwei Begriffe auf: Industrial und Easy Listening. Auf den ersten Blick zwei sich ausschließende musikalische Richtungen, aber Boyd Rice war einer der ersten, der diese beiden Genres in seiner Musik vereint hat. Als führendes Mitglied der First Church of Satan, Freund des verstorbenen Anton Szandor LaVey und als selbsternannter Nachfahre Christi sowie durch seine künstlerischen Darstellungen und seine Schriften ist Rice' Person mehr als umstritten. So kompromisslos, wie er seine Statements äußert, genauso kompromisslos ist er bei seiner Musik. "Terra Incognita" bietet eine Auswahl seiner ruhigeren Stücke von 1975 bis heute. Für den Industrialprotagonisten sicherlich eine sehr ungewöhnliche Zusammenstellung, aber Rice war schon immer dafür bekannt, sein eigenes Ding durchzuziehen, egal, was man von ihm erwartet. Alle Songs sind Instrumentalstücke ohne jeglichen Gesang, die sich in scheinbaren Endlosschleifen ergehen. Doch ganz so einfach ist es nicht, obwohl "Terra Incognita" erstaunlich angenehm hörbar ist. Boyd Rice hat in alle Stücke kleine Veränderungen eingebaut, die sich im Laufe der Zeit in die Songs einschleichen. Manchmal muss man schon genau hinhören, um sie zu erkennen. Allein der Opener "Solitude" lässt einen verwirrt zurück, denn das Stück strahlt eine ungewohnte Heiterkeit aus und seine Stimmung, die durch harmonische Klavier- und Tamburintöne erzeugt wird, steht im krassen Widerspruch zu seinem Titel. Verstörender ist dagegen z.B. "Father's Day", das auch gleichzeitig eines der ältesten Lieder (1975/76) von Rice auf diesem Album ist. Unbehagliche Melodien die vereinzelt und spärlich mit der Akustikgitarre begleitet werden, lösen seltsame Gefühle aus. Oder "Immolation Of Man", das aus mehreren Tonspuren von Akustikgitarren besteht, die in scheinbar verschiedenen Geschwindigkeiten und unabhängig voneinander gespielt werden. Wie durch Zufall vereinen sie sich zu einem harmonischen Muster, nur um danach wieder auseinander zu driften. "Arka" und "The Fountain Of Fortune" stammen vom 2002er Album "Children Of The Black Sun" und zählen zu den dunkelsten auf "Terra Incognita". Hervorzuheben sind auch die drei "Extract"-Stücke, die Boyd Rice zusammen mit Frank Tovey, dem 2002 verstorbenen Sänger von Fad Gadget, aufgenommen hat. Bei ihnen klingt dann doch der Industrial durch, denn sie bestehen rein aus Geräuschen, die zu scheinbaren Strukturen zusammengefügt sind. Zusammenfassend ist "Terra Incognita" ein äußerst überzeugender Abriss von Boyd Rice' Arbeit. Nur durch den vermeintlichen Verzicht auf Extravaganzen erscheint das Album sehr ruhig und entspricht dem Nebentitel "Ambient Works". Aber wie immer steckt der Teufel im Detail.