Lang ists her, da leisteten Borghesia, das 1982 im heutigen Slowenien/Kroatien gegründete Duo, neben anderen Bands Pionierarbeit: Ihr größter Erfolg war dabei 1987 der Beitrag auf dem Kultsampler 'This is Electronic Body Music' – der Track "No hope, no fear" dient als Paradebeispiel für klassischen EBM. Trotz weiterer Aktivitäten bis in die 90er hinein erreichte man nie ein ganz großes Publikum wie z.B. Nitzer Ebb oder Front 242 und 1995 verschwand Borghesia vorerst. Seit 2009 wird aber wieder aktiv gearbeitet und das vorliegende 'And man created god' ist ihre erste Veröffentlichung seit nunmehr 20 Jahren. Feiert eine Kultformation ihr Comeback und es wird in Werbeschriften an die damaligen Taten erinnert, die den Namen zumindest in den Köpfen Szenekundiger unvergessen machen, dann hört man sich vor der Sichtung des neuen Materials noch einmal durch die alten Stücke. Klassischer EBM, für die damalige Zeit recht straight. 'And man created god' hat mit diesem Klang rein gar nichts zu tun. Ersteinmal frei von Kritik halte ich deswegen eine Comebackfeier für recht fragwürdig. Nicht Borghesia sind wieder da, sondern die Musiker, die vor über 2 Dekaden unter diesem Namen Musik machten. Wie also musizieren Dario Seraval und Aldo Ivančič heute und was für ein Album ist 'And man created god'? Hierfür lohnt der Vergleich mit den Landsmännern Laibach, die über Jahre hinweg einen so eigenen wie eigentümlichen Sound entwickelten. Elektronische Musik irgendwo zwischen Pop, Wave, landestypischen Melodieschemen, Pathos und (eben doch) EBM, die die politischen und zynisch-kritischen Texte tragen. Höre ich mir Borghesias Comebackalbum an, dann möchte ich annehmen, dass im reiferen Alter die Lust auf Härte der Lust auf Botschaftstransport gewichen ist. Und so beginnt mit "We don't believe you" ein Track, der musikalisch an Massive Attack erinnert, während ein Sample Missstände in der modernen Gesellschaft aufzählt und die Band den Liedtitel sanft singt. Der nächste Track ist trotz französischem Titel in gebrochenen Englisch gehalten: E-Gitarre und tolles Drumming lassen Vergleiche zu schleppender Rockmusik zu, abwechselnder Männer- und Frauengesang erinnert noch deutlicher an Laibach. Es folgen Popsongs mit pathosgeschwängerten Gesangslinien, orientalische Melodien die mit 50'er Rockabilly Gitarren verbunden werden (musikalisch schön in "194"), cubanische Klänge (in "Para todos todo") und viele weitere Ideen und Stilwechsel. Dennoch stellt sich bei aller Abwechslung zu keinem Zeitpunkt Spannung ein. Dafür passiert musikalisch zu wenig während der einzelnen Lieder und die Stilwechsel lassen das Album eher zerfahren erscheinen. Gemein ist allen Songs nur, dass sie dem EBM Schema folgen und während einzelner Tracks kaum Spannungskurven verfolgen. Textlich wird deutlich Systemkritik geübt. Borghesia sind keine Freunde des Kapitalismus, die Politiker sind allgemein misstrauenswürdig und man kündigt an, dass irgendwann Schluss ist und das Volk rebellieren wird. Man ist übrigens kein großer Fan Israels, der UN und der USA ("194"). Möglicherweise liegt es am eher übersichtlichen englischen Wortschatz, aber Borghesia kritisieren auf Albumlänge so platt und aufgesetzt, dass es als reines Mittel zum Zweck erscheint und die zynische Schärfe Laibachs nicht im Mindesten touchiert wird. Ich sehe kaum Anlass für Begeisterung. Soll man sich freuen, dass die Herren wieder musizieren? Kein Mensch würde das neue Material mit Borghesia in Verbindung setzen, wenn der Name nicht auf der Packung stehen würde. Altfans werden also nicht angesprochen. Musikalisch dienen andere Bands (allen voran Laibach, auch wenn ich es inzwischen mantraartig wiederhole) dem Ohr viel besser. Borghesia klingen solide bis gut, aber wenig spannend oder begeisterungswürdig. Und die Texte kann man zwar als politische Statements im eigenen Land gut vermarkten, aber mir fehlt da die Würze und Tiefgang. Borghesia 2014? Nein, danke!