„Bittersüßer Nachtschatten“ – eine Pflanze, giftig und doch zugleich auch Heilung, wenn man darüber kundig ist. Genauso kommt unsere gleichnamige Formation daher – züngelnd, treffsicher und doch irgendwie auch Ventil der Heilung.

Das „Uhrwerk der Zeit“ heißt der erste Titel auf dem Debütalbum der „Dark-Folk-ler“. Blecherne Schläge treffen dich, während dich prophetisch erzählend auf dunklem Wave ihre Stimme einfängt. Es ist eine tragische Erkenntnis, aber sind wir nicht geboren worden, um irgendwann zu sterben? Wir schauen auf diese Erkenntnis: „…und versuchen dabei, unserer Zeit den besten Sinn zu geben… doch dann kommt die Wende und das Schicksal schlägt zu…“ Treibend voll nimmt dich die Elektronik mit, leicht melodisch angehaucht. Und dann nimmt sie Fahrt auf: „…Tag für Tag zieht das Leben vorbei. Du wirst immer älter, bist niemals frei…“ Und fast schreit sie es heraus: „…Gefangen im Uhrwerk der Zeit…“ Fast orgelartig erhebt sich der Sound stellenweise über trippelnden Drums. Der Wave rotiert mäßig darunter und dann wird es indianisch – soundtechnisch und gesanglich. Du folgst ihrem Singsang und dann erklingt biestig seine Stimme: „…deine Jahre sind in Bronze gegossen, hoffentlich hast du vieles genossen…“ Dumpfer und beatig ansteigend folgt „Selbstsucht“. Die Elektronik setzt ein, metallisch rasselnd unterstützt. „…jeder für sich, niemals zusammen… eine Stufe höher stehen…“ Psychedelisch hypnotisch wirken Stimme und Sound, ehe es wieder fast indianisch ausbricht. Ihr Singsang hüllt dich auf der Elektronik ein. Wem unterwirfst du dich? Für wen verdrehst du dich? „Keine Perspektive“ steigt dunkel-wavig ein – hoch und tief schwingend. Du hörst zärtlich wehmütige Tastenklänge, ehe die Elektronik beat-like und doch irgendwie melodisch wieder die Führung übernimmt. Irgendwas tragisch Dramatisches bleibt in dir. „…denn du, denn nur du, du weißt, wer du bist…“ Hoffnungslosigkeit macht sich breit. „…Träume zerplatzen wie Seifenblasen…“ Goethes Erben-like führt dich die Erzählstimme darauf in „2020“ und der Titel allein dürfte allen dunkle Nebel vor die Augen treiben. Die Unzufriedenheit macht sich metallisch trippelnd bemerkbar. Und dann wandelt sich der Song fast verträumt, sphärisch tief einsteigend. „…sucht den Sinn in deinem Leben, doch das Ziel erscheint zu weit…“ Der Titel klagt an: „…Social distancing, Shut Down… you`re still alive…“ Es folgt genauso düster „Graue Welt“. Du folgst der Gitarre und hörst das Plektrum über die Seiten rutschen. Und dann spielen die dunklen mit den hohen Tönen, blechern wirkt es darunter, einzelne Trommelschläge setzen ein und irgendwas, was ich mir als Tuba denken könnte. Melodisch swingend geht es voran und sie erhebt in diesem Reigen fast sarkastisch die Stimme. „…keine Sonne, die für mich lacht… graue Straßen, graue Massen…“ Die Vocals erheben sich mitunter mehrstimmig, weiblich psychedelisch. Tiefe, chillige „Orgel“-artige Elektronik erwartet uns dann wirr umspielt in „Wo bist du“. Knackige Drums setzen ein, melodisch untersetzt. Das Tempo steigt an. Bist du nicht ein guter Mensch? Doch innerlich erfrierst du. „…Ich will doch gar nicht viel… ein kleines Stück vom großen Glück… Gib mir ein Stück!“ Die hohen Töne tanzen auf den chilligen Drums. Mehrstimmig führen dich die Vocals. „…Wo bist du?...“ Und dann wird es dunkler. Die Töne tanzen durcheinander. „Asche auf Schnee“ schließt das Album. Wir finden eine wirre Kulisse auf einem Wave-Endlos-Ton, ehe einzelne tiefe Klavierklänge aufhorchen lassen. Metallisch meldet sich das Schlagzeug und dann ist dir, als folgst du einem bewegenden, gedämpften Glockenspiel auf den Wellen des Waves. Züngelnd macht sie es dir noch einmal bewusst: „…gefangen in uns… Asche zu Asche, Asche auf Schnee in dunklen Zeiten…“

Bittersüßer Nachtschatten – speziell, abstrakt, kunstvoll und doch elektronisch treibend, liefert die Formation düstere Seeleneinblicke – durchaus hörbar, als mal anders aus der Masse herausstechend.

 

 

STF Records

 

16.10.2020

 

https://www.bittersuessernachtschatten.de

 

01. Uhrwerk der Zeit

02. Selbstsucht

03. Keine Perspektive

04. 2020

05. Graue Welt

06. Wo bist du

07. Asche auf Schnee