Das fantastische ‚Kvitraven‘ machte zu Beginn dieses Jahres nicht nur klar, dass Wardruna in einer Klasse für sich musizieren, sondern auch, wie sehr skandinavischer Folk, traditionelle Instrumentierung und diese kalte Schwere in den Melodien und Gesängen Raum gefunden haben bei einer breiteren Masse an Zuhörern. Auch Heilung und Danheim fallen mir ein, die immer geläufiger benannt werden, wenn es um rituellere oder hypnotischere Kunst geht. Byrdi und Myrkur fanden sich in den Empfehlungslisten, wenn man traditionellere Folkkunst bevorzugt. Ich sehe es als erfreulich an, lausche aber nicht nur gerne den bekannteren Acts, sondern lasse mich auch gerne dann und wann von speziellerer Kost verzaubern.

Beckahesten bestehen aus Peo Bengtsson, Per Åhlund und Viktoria Rolandsdotter und nachdem ihr Debut ‚Vattenhålens Dräpare‘ im letzten Jahr bereits deutlich ihren eigenwilligen Weg aufzeigt, ist Tudor aktuell eine konsequente Fortsetzung. Aufgenommen inmitten der Natur Schwedens und Norwegens ist Beckahesten als ein Ambientsoundtrack mit rituellen Folkelementen recht treffend beschrieben. Melodien und Gesänge sind zwar immer wieder vorhanden und Rolandsdotters Stimme ist eine sehr angenehme Erfahrung, jedoch steht dieses Element der Klangkunst Beckahestens eindeutlig im Hintergrund – es sind die Soundscapes, die Geräusche der Natur oder eventuell des Dorf-/Landlebens, Samples (?) von Prozessionen oder Ritualen und drückende Drones, die im Mittelpunkt stehen. Fast so wie ein verirrter Geist, der durch die Landschaft stromert und hier und dort Geräusche und Lieder wahrnimmt, sich aber nicht auf sie fokussiert, der Szenen im Hellen und in bedrohlicher Dunkelheit besucht – ‚Tydor‘ könnte der Soundtrack zu einem gespenstischen, aber nicht zu einem Horrorfilm sein. Die 50 Minuten vergehen entweder unendlich langsam, wenn das Album auf die falschen Ohren trifft, oder viel zu schnell. Und auch wenn ich mich in der richtigen Stimmung befinden muss, um überhaupt etwas mit dieser Form der Kunst anfangen zu können, so habe ich bereits intensive Hördurchläufe erleben dürfen.

Für eine eher überschaubare Zielgruppe kann dieser im besten Sinne Bastard aus Ritual Ambient und skandinavischem Folk ein echter Glücksgriff sein – die Umsetzung ist großartig, die Gesänge auf hohem Niveau, die Abmischung gelungen und die Stimmung immer bedrückend, aber nie unangenehm bedrohlich. Beckahesten haben sich entschieden, Klänge zu schaffen, die den meisten wenig geben werden oder eher vor den Kopf stoßen, aber sie sind in keinem Moment Langweilig, nie wollen sie provozieren mit plumpen Mitteln. Sie haben sich für einen Weg entschieden, den sie konsequent gehen und ‚Tudor‘ kann ich von meiner Seite her schwer empfehlen – zumindest ein Probelauscher ist es wert!

 

Beckahesten

Tydor

 

03.05.2020

Cyclic Law

 

https://cycliclaw.bandcamp.com/album/tydor

 

01. Bruddansen
02. Skogen
03. Bergatagen
04. Dimman
05. Uven
06. Hednavåsen
07. Maran
08. Dunkel
09. Siaren