In etlichen Musik- und Gesellschaftsmagazinen war es bis vor wenigen Jahren ziemlich angesagt, Berühmtheiten aus Politik, Kultur und Showbusiness in Interviews nach ihren „5 Alben für eine einsame Insel“ zu fragen. Zählte mich die Journaille fälschlicherweise zu jenen Stars, deren Meinung man einen öffentlicher Mehrwert zuerkennen würde, dann fiele meine Antwort auf diese wundervolle Frage wie folgt aus: „Keine Ahnung, darüber muss ich ein paar Tage nachdenken. Aber das Album „Nightfall“ von Beborn Beton ist auf jeden Fall mit dabei.“ Die daran anknüpfende Frage des verdutzten Reporters, wer denn „Biborn Betong“ sei, würde ich schon nicht mehr wahrnehmen, denn die monotonen Laute des vor sich hin salbadernden Kommunikationspartners hätten bereits den packenden Melodien meines absoluten Lieblingsalbums weichen müssen. Was waren das damals für geniale Songs: Earth, Mantrap, The Colour of Love… die Liste ließe sich zwar nicht endlos fortsetzen, doch von Track 1 bis Track 11 diagnostizierten meine Ohren ausnahmslos Hitpotential. Vor diesem Hintergrund ist es schwer, das aktuelle Album „A Worthy Compensation“ objektiv zu beurteilen. Auf „Nightfall“ folgten noch die ebenfalls starken „Truth“ und „Fake“, die nicht ganz die Klasse der ewigen Nummer Eins erreichen konnten, aber dennoch zu den jeweils besten Synthiealben der entsprechenden Jahrgänge gehörten. Seit fast 15 Jahren warte ich nun auf das fast ebenso lange angekündigte „neue“ Beborn Beton-Album und getreu des Mottos „Was lange währt, wird endlich gut“, liegt es nun im CD-Player - seit knapp 10 Tagen quasi konkurrenzlos. Um es gleich vorweg zu nehmen, am Nightfall-Thron kann die 50-minütige Kompensation für fieberhaftes Warten auf neuen Hörstoff nicht rütteln, aber dass Stefan, Till und Micha erneut ein saustarkes Werk erschaffen haben, steht außer Frage. Aber Achtung: die 10 Lieder funktionieren am Besten im Zusammenhang. Käufer häppchenweiser Soundschnippsel dürften eher ratlos dreinblicken, wenn sie die Vorabsingle „Daisy Cutter“ während des Rasenmähens am linken Ohr vorbeirauschen lassen. Der betont rockige Refrain im Stile der frühen Mesh verstört zunächst, doch die Unsicherheit legt sich spätestens mit dem lässigen „I Believe“, das auch im Radio eine gute Figur abgäbe. Bei 24/7 Mystery offenbart sich der Einfluss von Produzent Olaf Wollschläger, des angesagtesten Synthpop-Produzenten der letzten Dekade. Vor knapp drei Jahren wurde eine frühe Version dieser kernigen Nummer bereits auf einem Sampler veröffentlicht, doch die Überarbeitung holt aus dem stimmigen Ausgangsmaterial noch einmal 20% Qualität heraus. Bei „Anorexic World“ ist das Wirken des Produzenten noch deutlicher präsent, denn hier finden Sounds des ebenfalls von Wollschläger gepimpten Projekts „Zynic“ Anwendung: klare Drums, ein eingängiges Rhythmusgerüst, das um ein paar kratzende Beats ergänzt auch gut im Club funktionieren würde. „A Worthy Compensation“ und „Last Day On Earth“ sind die komplexesten Songs des Albums und benötigen zwei oder drei Durchläufe, um final zu zünden. Empfehlenswert ist in diesem Zusammenhang auch das professionelle Video zu „Last Day On Earth“, in dem die drei Protagonisten ausdrucksstark in einer unterschwellig bedrohlichen Kulisse umherfahren und im letzten Take schließlich im grellen Licht entschwinden. Positivere Klänge stimmt „She Cried“ an: DER absolute Ohrwurm mit Mitsing-Effekt, ohne dabei den lyrischen Anspruch des Albums zu verwässern. Auch „Terribly Wrong“ hat einen hohen Wiedererkennungswert und steht damit im Kontrast zur schwermütigen Dark-Pop-Ballade „Who Watches The Watchmen“, die den Reigen abwechslungsreicher Soundkost beschließt. „A Worthy Compensation“ schafft es nicht ganz auf meine einsame Insel, aber da diese Frage hoffentlich ohnehin nur fiktiven Charakter besitzt, genieße ich bis auf Weiteres das Comeback dieser fantastischen Band ohne jegliche Reue. Geniales Songwriting, glasklare Produktion, nachdenkliche Lyrics, vielfältige Klänge und eine nachhaltig wirkende Spannungskurve - Beborn Beton sind zurück und festigen ihren Platz in meiner persönlichen Champions League der Synthpop-Bands.