Ich erinnere mich noch ziemlich genau, wie ich 2019 ‚The early years‘ von Hardtbeat in den Händen hielt. Das Albumcover und Booklet wirkten etwas amateurhaft gestaltet, die Songtitel und Aufbereitung durch den Pressetext – ich bildete mir eine Meinung zu der Musik, die ich noch nicht gehört hatte und ging fest davon aus, nicht beeindruckt zu werden, sondern etwas fahle und selbstgemachte Popmusik zu hören zu bekommen. Dass dieses Album sich aber als Juwel entpuppte, kann man gerne noch einmal hier nachlesen und dann das Album kaufen. Ich erwähne aber diese Anekdote, weil Beat Noir Deluxe auf dem vorliegenden Album Nummer zwei genau die Musik gemacht haben, mit der ich bei Hardtbeat gerechnet hatte. Das ist jetzt kein Lob, aber ein ehrlicher Einstieg in meine Kritik.

Also vorweg: ‚Werk zwei‘ ist, wenn ich von den meisten Motiven absehe, optisch sehr gut und professionell gestaltet. Ich mag den Projektnamen und das stilisierte Bandsymbol, die farbliche Gestaltung ist wundervoll sleazy und das Cover wirkt sehr nach 70er Exploitation Filmplakat. Klappe ich das Digipack auf, wird es schon etwas mmh, denn ein definitiv nicht mehr junger Mann mit Shirt und Hose bekleidet zwischen definitiv jüngeren Damen, bei denen das Requisitengeld leider nicht mehr für volle Bedeckung reichte – muss das wirklich sein? Findet das irgendwer noch gut? Auch der gemalte Dämon ist Fehl am Platz und ach, schade. Mit guten Motiven wäre das Booklet wirklich ein Genuss. Egal, wie klingen denn nun wohl Beat Noir Deluxe mit all diesen Bildern, die an Hellectrobooklets oder Umbra et Imago erinnern?

Ach? Lieber, fader und selbstgemacht wirkender Pop, den man mit viel Augen zu in die Synth Pop Richtung schieben mag, der aber so dark ist wie die Grauen Panther? Na gut, warum nicht? Oder eher: Warum? Sascha G., (Master)Mind hinter dem Projekt, gibt selbst an, dass er zwar in den 90ern bereits musikalisch aktiv war (ohne Quellen zu nennen), jedoch erst jetzt, nach Jahrzehnten des Lebens wirklich an die Öffentlichkeit tritt. Ein schwerer Autounfall und die damit einhergehende Begegnung mit der eigenen und viel zu schnell möglichen Sterblichkeit nennt er als Hauptanlass, Beat Noir Deluxe zu betreiben und das mag auch sein, aber ich gestehe – meine Empathie endet an dieser Stelle. Nicht, weil das Projekt schmusig, monotonen Pop eher falsch verpackte oder weil Echozone das Ganze professionell verbreiten möchte. Nein, die Musik auf ‚Werk zwei‘ ist einfach nur nichts Besonderes und an ganz vielen Stellen wirklich nicht gut. Die ersten sechs Titel ziehen an meinem Gehör vorbei, gehen schon in Ordnung, bleiben aber keine zwei Sekunden nach den Ausklingen hängen, weil einfach schon 1000mal gehört. Wirklich. Dann der superdünne weibliche Gesang auf „What she could not tell“ – der macht es auch nicht besser. Oder versucht einmal, „Sie war nicht bereit“ zu hören, ohne auf die Skip Taste zu drücken (Ich habe das ganzheitliche Erlebnis weiter unten angehängt): eine Allerweltsmelodie, solide mit Standartinstrumenten und Streichern umgesetzt (wenn man mal von dem schiefen Flöten(?)ton ab dem zweiten Refrain absieht), der Text kein Genuss sondern qualvoll, der Gesang hart am Limit und oft neben der Spur. Und „Es tat so weh“ legt sogar noch nach – kurz habe ich das Gefühl, bei Alexander Markus gelandet zu sein: Ist das eine Parodie, die ich hier höre? Die folgenden drei Titel werden trotz politischer Kritik in „21 reasons“ nicht besser. Und dann wird es ganz gruselig: Wer wünscht sich nicht nach 43 Minuten lau-amateurhafter Pop Unterhaltung Coverversionen von Klassikern? „Wicked game“ zeigt vor allem die gesanglichen Grenzen von Sascha G., der trotzdem dem Mut beweist, sich auch den hohen Tönen (erfolglos) zu stellen. Aber auch die Elektronik ist weder ansprechend noch interessant, sondern elektronischer Brei ohne Kunstfertigkeit. Und wenn man schon Chris Isaak nicht gut imitieren kann, dann ist Bruce Dickinson ja wohl Ehrensache: Richtig gehört – eine poppig-fluffige Coverversion von „Run to the hill“, die wirklich so unglaublich (schief) ist, dass ich Freunden harten Trashs die Reinhörpflicht attestiere. Es folgen noch vier Remixe, aber selbst wenn sich die beteiligten Kollegen Mühe gegeben hätten, aus diesem Ursprungsmaterial kann man einfach kaum etwas Nennenswertes herausholen…

Ich finde ‚Werk zwei‘ wirklich nicht gut. Die gebotene Musik ist im besten Fall langweiliger und vollkommen belangloser Pop, im schlechtesten Fall haarsträubend schiefer Trash. Und bei den Coverversionen und den deutschen Titeln fühle ich mich regelrecht veräppelt. Es ist so schade, dass das professionelle Cover, Namen wie Krischan Wesenberg oder Rroyce und ein Label wie Echozone dazu verleiten könnten, hier etwas Ernsthaftes zu vermuten, während so viele deutlich bessere Projekte ein Schattendasein fristen. Danke, nein danke!

 

 

Beat Noir Deluxe

Werk Zwei

 

23.07.2021

echozone

 

https://echozone.bandcamp.com/album/werk-zwei

 

01. I cannot breathe
02. Stop twisting my head (feat. Lisa Anesi)
03. Nemesis (feat. Lisa Anesi)
04. What she could not tell
05. Compassion
06. On your timeline
07. Sie war nicht bereit
08. Es tat so weh (feat. Lisa Anesi)
09. 21 lies
10. Un sentimento
11. The Chaffeur (feat. Jack Smai)
12. Wicket Game ((feat. Megalmodas)
13. Run to the hills
14. What she could not tell (Rotersand Remix)
15. Nemesis (Rroyce Remix)
16. What she could not tell (Pacoussa Remix)
17. I cannot breathe (Monotronic Remix)