Wissbegierige Schüler zum Lernen einer Fremdsprache zu motivieren, ist sicher nicht jedermanns Sache. Meistens ist die Begeisterungsfähigkeit des jeweiligen Lehrers der entscheidende Faktor, ob der gestresste Pennäler sein Vokabelheft auch nachmittags freiwillig zur Hand nimmt und sich für die Ferien in ein optionales Schüleraustauschprogramm einschreibt. Beim Rezensenten der vorliegenden CD hat es die damalige Lehrkraft komplett verbockt. Tänzelnd und mit den Armen schwingend, versuchte es die bemühte Frau jahrelang, der Klasse von der französischen Sprache vorzuschwärmen, deren Erwerb „très important“ sei. Außerdem, so die animalisch herumfuchtelnde Pantomime, wäre Französisch sehr melodiös, eine tolle Singsprache und überhaupt „MUSIQUE“ in den Ohren des faszinierten Zuhörers. Mir schien der Enthusiasmus schon damals dezent überzogen, so dass nach drei Jahren Qual das Fazit „Je ne comprend rien“ als Schlussstrich unter das Kapitel "Sprache als MUSIQUE" gezogen wurde. Umso nervöser fieberte ich im Vorfeld der neuen CD „MUSIQUE Noire“, der deutschen Synthpopband „Avoid–A –Void“ entgegen. Nicht, weil das drei Jahre alte Debütalbum in irgendeiner Art und Weise negatives Karma verbreitete, sondern weil alleine der Titel spontane Assoziationen mit herumspringenden Fremdsprachen-Sängern weckte. Doch dafür können Rico und Falo, die beiden Protagonisten des bei Echozone unter Vertrag stehenden Duos nichts. Also erfolgte die erste Kontaktaufnahme mit dem Silberling relativ unvoreingenommen – und schon beim einleitenden Fast-Instrumental konnte beruhigt durchgeatmet werden: Das Titelstück könnte gut als Soundtrack eines düsteren Thrillers funktionieren und rückt stimmungstechnisch nahe an Mind.In.A.Box. heran. Kein französischer Chanson, Glück gehabt. Der zweite Track „Myself Within“ deutet anschließend an, wohin die Reise in den kommenden 40 Minuten geht: Straighter Synthpop, schöne Melodiebögen, ein erdiger Gesang und immer wieder akzentuierte Irritationen, die nahezu jeden Song vor dem Abgleiten in die Beliebigkeit bewahren. Dabei spricht die Band mal eher die „meshige“ Fanbase an („Myself Within“, „Who Cares“), dann wird mit „Nothing“ an den aktuellen DE/VISION-Sound angeknüpft, während „Yearn for your Proximity“ mit tollen Hooks und einem treibenden Chorus allen Camouflage-Hörern gefallen dürfte. Der Band mögen die vielen Vergleiche mit bekannteren Genregrößen nicht zusagen, doch sollen diese Querverbindungen keinesfalls einer Abwertung gleichkommen. Vielmehr hatte ich beim Hören der durchweg eingängigen Songs den Eindruck, dass hier Fans des Synthpops ein Album für ihresgleichen produziert haben, ohne sich dabei selbst zu wichtig zu nehmen. Rico Hüllermeier, der mir jüngst vor allem als äußerst fähiger Remixer diverser De/Vision-Titel des Albums „Popgefahr“ auffiel, hat es geschafft, produktionstechnisch das Niveau des Vorgängers „Abyss Desires“ deutlich zu übertreffen. Die Drums sind prägnanter, die Lieder kommen allesamt stärker auf den Punkt und auch der Gitarreneinsatz ist absolut tolerabel. Normalerweise sind Gitarren für den Autor dieser Zeilen die gegenständliche Entsprechung einer Französischlehrerein, doch auf „Musique Noire“ reichert das Saiteninstrument das Klangbild nur als einen Faktor unter vielen an. Anspieltipps gäbe es zuhauf, ein echter Überflieger ist zwar nicht dabei, aber auch kein Titel für die Skip-Taste. Nach drei Durchläufen blieben die Dance-Kracher „Untouchable“ und „S Got Kryptonite“ hängen, mittlerweile befinden sich „Myself Within“ und „Flowers“ dank ihrer sich langsam aufbauenden Spannungskurve fast auf Augenhöhe. Das Fazit überlasse ich einer Person aus meinen Albträumen: „Aaaaah, très bien!“ Aargh, Ruhe jetzt! Dann gibt es die abschließenden Worte eben von mir: De/Vision-, Mesh-, Camouflage-Fans und Hörer, die dieses Jahr vergeblich sehnsüchtig auf ein neues Album von „Zynic“ warteten, können sich mit dieser Platte mehr als angenehm die Zeit vertreiben. Denn dieses Ding ist eine Klasse besser als das Debüt und mit den genannten Epigonen fast auf Augenhöhe. Eine positive Überraschung des Herbstes.