Seit mehr als einem Vierteljahrhundert ist der Brite Martin Bowes schon mit Attrition aktiv und erfolgreich – von einer Legende zu sprechen, dürfte damit nicht ganz unangebracht sein. Um die umfangreiche Diskografie aus den frühen Tagen nun auch jüngeren Hörern näher zu bringen und alten Fans die Möglichkeit bieten, in den Besitz längst vergriffener Releases zu kommen, legt Bowes seit einiger Zeit nach und nach die wichtigsten Titel des Backkataloges neu auf – vollständig remastered und mit überarbeitetem Artwork. Das sehr erfolgreiche, richtungsweisende Album "3 arms and a dead cert", das 1996 vom inzwischen nicht mehr existierenden Nürnberger Label Hyperium in Deutschland und von Project records in den USA veröffentlicht wurde, ist damit inzwischen ebenfalls wieder erhältlich. Während etliche Attrition-Alben mit ihren sehr experimentell und komplex angelegten Kompositionen nicht gerade einen leichten Zugang boten, ist "3 arms and a dead cert" ein herausragendes, innovatives Werk, das eingängige, tanzbare Elektronik mit einer virtuos gespielten klassischen Violine verbindet und dabei trotzdem den experimentellen Grundcharakter nicht verliert. Bedenkt man, dass das Album über 12 Jahre alt ist, Hellectro und Dark Electro noch gar nicht geboren waren und stumpfsinniger Rave/Techno zu dieser Zeit durch die Club- und Radioboxen schallte, haben Bands wie Attrition und deren Wegbegleiter Cabaret Voltaire und Throbbing Gristle damals Pionierarbeit auf elektronischem Gebiet geleistet. "3 arms and a dead cert" klingt auf überraschende Weise modern und ergreifend. Das Album begeistert mit nicht alltäglichen Arrangements, die vor allem durch Frank Dematteis' (von der Pariser Oper) Violinenspiel, einer zurückhaltenden, nur Nuancen setzenden Gitarre und mal treibender, mal beruhigender, aber stets düsterer Old school- und Modern-Electronica sowie Julia Wallers ausdrucksstarker "heavenly voice" geprägt werden. Die bei manchen Titeln ("White men talk", "Cosmetic citizen") fast mantraartig wiederholten, dunklen Vocals von Martin Bowes verleihen den Stücken bisweilen zusätzlich eine besondere Dramatik und Einzigartigkeit – bisweilen sogar eine psychedelische und chillout-ähnliche Anmutung („Acid tongue“). Während Voice-Samples heute geradezu unkreativ inflationär im Electrobereich verbreitet werden, setzen sie in Titeln wie "One of this mornings …", "Predicament?" und dem atemberaubenden, opulent arrangierten Titelsong "3 arms and a dead cert" originelle Akzente, ohne jemals strapaziös zu wirken. Attrition darf gut und gern als herausragendes musikalisches Chamäleon bezeichnet werden, extrem wandlungsfähig, aber stets typisch und mit hohem Wiedererkennungswert. Mit "3 arms and a dead cert" ist wieder Album erhältlich, an welches man sich immer wieder und noch lange erinnern wird – mit großer Freude!